"Berliner Morgenpost": Das Festival in alter Größe
Leitartikel von Peter Zander zur Berlinale
Berlin (ots)
Heute Abend gibt es noch mal einen großen Rummel am Potsdamer Platz, wenn im Berlinale-Palast die Bären verliehen werden. Am Sonntag geht die Berlinale dann mit dem Publikumstag zu Ende. Und die Bilanz der 73. Filmfestspiele, sie kann sich wirklich sehen lassen. Nach zwei corona-bedingten Sparausgaben, die mal nur gesplittet online und als Sommer-Event (2021), mal nur in halbleeren Sälen (2022) stattfinden konnten, erstrahlte das Festival in den vergangenen neun Tagen wieder in alter Größe, wie zu prä-pandemischen Zeiten.
Die Stars sind zurück. Kristen Stewart als Jurypräsidentin war ein erster Coup. Und Ehrenpreisträger Steven Spielberg gab den emotionalen Höhepunkt mit seinem kurzen, aber aufwühlenden Besuch. Aber auch sonst sind die Promis in großer Zahl angereist, auch aus dem Ausland. Und sie drängten mal nicht nur alle aufs erste Wochenende, wie in früheren Jahren so oft, wo das Festival nach der Hälfte eher ausdümpelte. Nein, bis fast zuletzt gab es mindestens einen Weltstar pro Tag.
Auch das Publikum ist zurück. Die Kinos in Deutschland haben durch die Pandemie ein Drittel ihrer Zuschauer verloren oder noch nicht zurückgewinnen können. Viele streamen lieber zuhause. Es stand zu befürchten, dass sich das auch auf das Filmfestival auswirken könnte. Aber nein: Die Vorstellungen waren gefragt und gut verkauft, trotz der inflationsbedingt happigeren Preise. Auch die Tatsache, dass die Berlinale nun ganz digital geworden ist und Karten nicht mehr am Ticket-Office, sondern nur noch online zu erhalten sind, scheint niemanden abgeschreckt zu haben. Oder falls doch, dafür ein anderes Publikum erreicht zu haben. Bis Mittwoch waren rund 267.000 Tickets verkauft. Damit dürfte der Stand der letzten regulären Berlinale vor der Pandemie (mit 330.000 Tickets) wohl wieder erreicht werden.
Auch die Fans sind zurück. Wieder unter Menschen und in einer Masse stehen: Das haben sich vor einem Jahr nur wenige getraut, und das war bei der damaligen Corona-Lage wohl auch ganz richtig. Es war aber schon traurig, wie Filmemacher aus aller Welt da auf dem roten Teppich standen - aber keiner da war, um sie zu feiern. Nun aber waren die Zaungäste wieder da. Und diesmal verbaute ihnen auch keine klobige Audi-Box mehr die Sicht. Dass das Festival diesen Sponsor verloren hat, hat zumindest einen positiven Nebeneffekt.
All das zeigt: Das Festival ist zurück. Und wenn auch immer wieder die Diskussion aufflammt, ob auch die Zukunft der Festivals durch Streamingdienste gefährdet ist, dann ist die Berlinale 2023 wohl ein erfreulicher Gegenbeweis. Hoffen wir, dass sich dies auch auf die regulären Kinos des Landes auswirkt. Sie haben es nötig.
Alles gut also? Ja, alles gut - wenn nur der Wettbewerb nicht wäre. Der ist nun mal das Schaufenster eines jeden Festivals. Aber im Bären-Rennen waren die Stars nicht zu finden. Die liefen alle im Berlinale-Special. Und auch all die politischen Beiträge aus der Ukraine und dem Iran, auf die das Festival so stolz verwies, sie fanden sich in allen Sparten, nur nicht im Wettbewerb. Dort frönt Programmleiter Carlo Chatrian seinem elitären Kunstfilmgeschmack. Das hat er zuvor schon als Chef des etwas kleineren Festivals von Locarno getan. Das aber führt zunehmend zu einer Locarnisierung der Berlinale. Lange stritten Berlin und Venedig um Platz zwei der großen A-Festivals, nach dem unerreichbaren Cannes. Aber Berlin ist längst hinter Venedig zurückgefallen. Dagegen gilt es unbedingt anzukämpfen.
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