Berliner Morgenpost: Vertrauen zurückgewinnen
Kommentar von Gilbert Schomaker zum Mordverdacht gegen einen Charité-Mediziner
Berlin (ots)
Es ist einer der sensibelsten menschlichen Bereiche, eine Beziehung, in der es um Vertrauen geht: das Verhältnis von Arzt zu Patient. Gerade deswegen ist Berlin erschüttert über den Fall des Mediziners, der im Verdacht steht, zwei Menschen in der Charité ermordet zu haben. Viele Fragen sind noch offen. Beispielsweise: Wieso soll der Herzspezialist den Patienten zu viel Beruhigungsmittel verabreicht haben? Was ist sein Motiv? Sterbehilfe war es laut Staatsanwaltschaft nicht. Offiziell spricht die Anklagebehörde von niederen Beweggründen.
Die Tat trifft wieder Berlins Vorzeigeklinikum. Mitte der 2000er-Jahre hatte eine Krankenschwester fünf Patienten ermordet, weil sie - nach ihren Angaben - die Menschen erlösen wollte. Nur hatte damals niemand um Sterbehilfe gebeten. Das Urteil des Landgerichts lautete Mord. Man könnte heute der Charité einen Vorwurf machen, hätte sie damals nicht gehandelt. Aber das Universitätsklinikum schuf ein niedrigschwelliges System, mit dem Krankenschwestern, Pfleger oder Mediziner auch anonym auf mögliche Verdachtsfälle hinweisen können. Das ist deswegen sinnvoll, weil berufliche Karrieren enden können, wenn eine Krankenschwester einen vorgesetzten Arzt anklagt.
Das Whistleblower-System führte aber nun auch dazu, dass die Verantwortlichen in der Charité über den aktuellen Fall informiert wurden und Polizei und Staatsanwaltschaft einschalten konnten. Trotzdem bleiben Fragen: Gibt es weitere mutmaßliche Tötungsfälle? Handelten die Behörden schnell genug? Noch halten sich Staatsanwaltschaft und Charité bedeckt. Mit Informationen zu dem Fall kann man aber auch verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.
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