Berliner Morgenpost/Richtige Weichenstellung/Kommentar von Miguel Sanchez
Berlin (ots)
Es war klug, gegen weitere Bahnstreiks zu stimmen
Glücklich sind die Eisenbahner wohl nicht. Aber am Ende haben die Mitglieder der Gewerkschaft EVG besonnen gehandelt. Es war klug, gegen einen längeren Streik bei der Bahn und für die Schlichtungsempfehlung zu stimmen.
Erstens ist das Ergebnis so schlecht nicht. Zweitens haben sie die Autorität der EVG-Führung gestützt. Erinnern wir uns: Die hatte ausdrücklich eine Annahme empfohlen. Drittens agiert keine Gewerkschaft losgelöst von der Gesellschaft, von ihren Kunden. Die waren schon genervt von den vielen Warnstreiks seit Februar. Für einen langen Arbeitskampf hätte die Gewerkschaft den Rückhalt der Bevölkerung verloren.
Mindestens 410 Euro mehr im Monat, dazu einen steuerfreien Ausgleich von knapp 3.000 Euro im Jahr für die Inflation: Mit dem Kompromiss kann sich die EVG sehen lassen. Die Arbeitnehmer in einigen anderen Branchen würden gern mit den Eisenbahnern tauschen.
Materiell sprach viel für die Annahme, politisch erst recht. Stellen wir uns nur mal das Gegenszenario vor: Die ganz große Mehrheit der Mitglieder hätte auf weitere Streiks bestanden. Dann wäre die Führung beschädigt worden und die ganze EVG jetzt auf einem toten Gleis.
Am genauesten wird sich die Lokführergewerkschaft GDL das Ergebnis anschauen - und alles daran setzen, ihre Konkurrenz zu übertrumpfen. Für die Bahn heißt das: Nach dem Streik ist womöglich vor dem Streik. Die Konkurrenz zweier Gewerkschaften verschärft den Konflikt im Haus. Alles, was EVG und GDL tun, muss man vor dem Hintergrund dieses Machtkampfes zwischen den beiden Gewerkschaften sehen. Ein Machtkampf, der leider allzu oft auf dem Rücken der Bahnkunden ausgetragen wird.
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