Berliner Morgenpost: Westen muss Vucic stoppen
Leitartikel von Adelheid Wölfl
Berlin (ots)
Seit Monaten häufen sich Graffiti in Serbien mit der Aufschrift "Wenn die Armee in den Kosovo zurückkehrt". Auch die Kriegsrhetorik wurde immer lauter. Medien, die vom serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic kontrolliert werden, und der Präsident selbst behaupteten fortwährend, die Regierung des kosovarischen Premiers Kurti wolle Serben vertreiben und führe Pogrome durch. Die Hassreden sollen die Bevölkerung aufheizen. Vucic zog bereits im Vorjahr die Serben aus den kosovarischen Institutionen heraus. Das führte zu einem enormen Sicherheitsvakuum. Doch der Westen reagierte nicht.
Vucic drohte mehrmals damit, serbische Sicherheitskräfte in den Kosovo zu entsenden. Serbische Truppen und eine serbische MiG-29 kamen immer wieder bis dicht an die Grenze. Doch der Westen reagierte nicht.
Anstatt die permanenten Provokationen, Drohungen, Eskalationsschritte, Einschüchterungsversuche, Boykotte und die Lügen aus Serbien zu verurteilen, führte die Europäische Union Sanktionen gegen den Kosovo ein. Und der US-Botschafter in Belgrad, Christopher Hill, bezeichnete Vucic sogar als einen "guten Partner". Die westlichen Diplomaten tragen wegen all dieser Beschwichtigungen eine Mitschuld an der Eskalation auf dem Balkan.
Es braucht dringend eine Kehrtwende, wenn man nicht riskieren will, dass die Situation noch gefährlicher wird. Die EU sollte sofort die Beitrittsverhandlungen mit Serbien abbrechen, Sanktionen einführen, die Geldmittel für das Land einfrieren und die Sanktionen gegen den Kosovo aufheben. Wahrscheinlich ist das nicht, denn auch die EU ist von kreml-freundlichen autokratischen Akteuren wie etwa Ungarn unterlaufen, das schützend seine Hand über Freund Vucic hält.
Mit neuerlichen Störmanövern im Kosovo, in Bosnien und Herzegowina und in Montenegro ist zu rechnen - gerade weil die EU und die USA bisher nicht in der Lage waren, die serbische Regierung dazu zu bringen, die Beziehungen zum Kosovo zu normalisieren und auch der Kreml ein Interesse daran hat, am Balkan zu zündeln, um westliche Kräfte von der Ukraine abzuziehen. Deshalb ist es wichtig, dass die Nato und die EU-Mission Eulex im Kosovo dabei helfen, die Waffen, die die Milizen in den Norden gebracht haben, einzusammeln und dafür zu sorgen, dass die kriminellen Strukturen austrocknen.
Auch der Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo braucht einen Neustart. Doch der EU-Vermittler Miroslav Lajcak ist diskreditiert und hat das Vertrauen der Kosovaren verloren, weil er zuletzt ein serbisches Papier als EU-Papier vorlegte und ganz offensichtlich parteilich für Serbien agiert hatte. Allein deshalb sollte Lajcak dringend ausgetauscht werden.
Zudem sollte die EU damit aufhören, in ihrer Rhetorik "beide Seiten" für die Situation verantwortlich zu machen. Die Provokationen gehen von Serbien aus. Es waren serbische Milizen, die vergangene Woche im Kosovo einen Terroranschlag verübten. Und es waren serbische Kriminelle, die Ende Mai die Kfor-Friedenstruppe angriffen und 30 Nato-Soldaten verletzen.
Der serbischen Regierung geht es um den alten Plan, ein "Großserbien" zu errichten. Deshalb will Serbien den Norden des Kosovo. Und deshalb ist auch Bosnien und Herzegowina permanent in Gefahr. Wenn man beide Länder vor einer Aggression schützen will, wäre es am effektivsten, wenn einer der fünf Nicht-Anerkenner-Staaten in der EU - Rumänien, Griechenland, Zypern, die Slowakei und Spanien - den Kosovo schnell als Staat anerkennen würde.
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