"Berliner Morgenpost": Schweigen kostet Vertrauen
Kommentar von Jan Dörner zur Bekanntgabe der Krebserkrankung von König Charles III.
Berlin (ots)
Per Eilmeldung ging es um die Welt: König Charles III. ist an Krebs erkrankt. Die Transparenz des britischen Königshauses ist mit Respekt aufgenommen worden. Bei manchen löste dies aber auch Unbehagen aus: Muss die Krankenakte eines Menschen öffentlich sein, weil es sich um Kanzler, Kaiser, König oder Königin handelt? Ja, sie muss. In diesen Zeiten gehört es in offenen Gesellschaften dazu, dass die Bevölkerung über das Wohl der Mächtigen informiert wird.
Ex-Kanzler Willy Brandt hatte schwere Depressionen und schaffte es bisweilen tagelang nicht aus dem Bett. Sein Nachfolger Helmut Schmidt litt an Ohnmachtsanfällen. Beides wurde als Staatsgeheimnis verschwiegen. Dies wäre heute undenkbar, da Spitzenpolitiker viel stärker im öffentlichen Fokus stehen.
In den USA sind Bulletins über die Gesundheit des Präsidenten Normalität. Als Angela Merkel während ihrer Kanzlerschaft an Zitteranfällen litt, hielt sie sich mit Informationen zu ihrem Zustand zurück und bat die Öffentlichkeit, sich darauf zu verlassen, dass es ihr gut gehe. Damit schuf sie umso mehr Spekulationen. Kürzlich befand sich US-Verteidigungsminister Lloyd Austin wegen einer Prostatakrebserkrankung im Krankenhaus - zunächst ohne die Öffentlichkeit oder gar Präsident Joe Biden zu informieren. Dem Vertrauen in den Minister hat dies geschadet. Regierende und Staatsoberhäupter sind der Bevölkerung Rechenschaft über ihren Zustand schuldig, selbst wenn die Fähigkeit zur Amtsführung nicht infrage steht. Der Buckingham-Palast hat Krebsart und Stadium der Erkrankung des Monarchen offengelassen. Somit bleibt Rätselraten, ob der 75-Jährige sein Amt künftig ausüben kann.
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