Berliner Morgenpost: Kommentar - Aufbau Ost
Berlin (ots)
Gelegentlich muss man weit in den Annalen zurückblättern. Zum Beispiel auf das Datum des 16. November 1989. Da warnte Klaus von Dohnanyi die deutsche Linke und seine SPD vor dem historischen Fehler, die Augen zu verschließen vor der notwendigen Wiedervereinigung. Wir erinnern uns: Das war sieben Tage nach dem Fall der Mauer. Mit Dohnanyi meldete sich die Stimme eines geschichtsbewussten Patriotismus zu Wort, der wie Willy Brandt den Deutschen die Richtung wies in einer Phase höchster Verwirrung. Oder nehmen wir den 21. Dezembers 1989. Da warnte Klaus von Dohnanyi vor der riesigen wirtschaftlichen Kluft zwischen Ost und West und fürchtete, dass die Einheit vor allem zum sozialen Problem werde. Auch da sollte er recht behalten. Wer das noch im Gedächtnis hat, wundert sich nicht, dass sich die erste ernst zu nehmende Generalbilanz des Aufbaus Ost wieder mit dem Namen Dohnanyi verbindet. Immer und immer wieder hat er auf die Sorgen der neuen Länder hingewiesen und sich damit keine Freunde in der Bundesregierung geschaffen. Auch jetzt nimmt man ihm dort den Medienrummel übel und verkennt, dass sich eigentlich nicht der Überbringer schlechter Nachrichten rechtfertigen muss, sondern jene, die schweigen und nichts tun. Viel zu spät hat die Öffentlichkeit doch davon erfahren, wie es um den Aufbau Ost wirklich bestellt ist. Das ist der eigentliche Skandal. Wieder wurden wertvolle Jahre Anpassungsspieltraum verplempert. Dabei ist es völlig müßig, die Frage nach dem Koch oder dem Kellner zu stellen: die Probleme des Ostens sind längst die Probleme des ganzen Lande und sie waren es eigentlich schon immer. Man kann über den einen oder anderen Vorschlag dieser Dohnanyi- Kommission sicher streiten, in der so vorzügliche Experten wie der Dresdner Ökonom Helmut Seitz saßen. Eines aber ist unbestreitbar: dieser Bundesregierung fehlt ein Konzept und sie müsste dringend eines haben. Aber der Paradigmenwechsel, den die Kommission fordert, würde politischen Mut verlangen, würde ein Ende der bisherigen Förderphilosophie mit ihrer verhängnisvollen Verwechslung von Regionalpolitik mit Investitionshilfen bedeuten. Auch dieses Kommissionspapier wird deshalb keine Wende bewirken. Dazu ist die Politik zu ängstlich. Aber man wird sie daran messen können, wenn es denn jemals darum geht, die Verantwortlichen für den weiteren Fehlbau Ost zur Rechenschaft zu ziehen. Sie hätten es zumindest wissen können.
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