Berliner Morgenpost: Kommentar - Terrordrohung
Berlin (ots)
So regelmäßig in den Medien Al-Qaida-Stellungnahmen auftauchen und so regelmäßig man ihre Echtheit und Relevanz bezweifeln muss, so sehr wird doch eines deutlich: Der Kampf gegen den Terror ist längst ein Kampf mit dem Terror geworden. Die Terrornetzwerke haben die Augenhöhe mit dem Westen gesucht und spätestens mit ihrem quasimilitärischen Engagement im Irak sowie der ideologischen Begleitung der Madrid-Anschläge zumindest auch ideell erreicht. Zugleich wird jedoch auch eine fundamentale Schwäche deutlich: Es sind mehrere lose verbundene Netzwerke. Inzwischen spielen offenbar auch Terror-Trittbrettfahrer, die sich Anschläge anheften wie Trophäen, mit. Die Idee einer zentralisierten Al Qaida mit Filialen in aller Welt ist ein Medienkonstrukt. Angesichts des Verlustes ihrer Basen in Afghanistan und des überraschend hohen Fahndungsdrucks in Saudi- Arabien scheint sie große Schwierigkeiten zu haben, neue zentrale Kommandostrukturen mit weltweiter Relevanz zu errichten. Die heutigen gelockerten Verbindungen basieren auf gemeinsamer Ideologie und gemeinsamer Vergangenheit in afghanischen Ausbildungscamps, partiell auch über Austausch von Wissen und Material. Als sicher aber gilt, dass sich der islamistische Terrorismus regionalisiert hat. Diese neue Unübersichtlichkeit bedeutet auch eine Herausforderung für die westliche Abwehr. Sie hatte bisher schon kaum Zugriff auf Strukturen, zukünftig wird alles über Personen geschehen. Damit kommen die Fahndungsbedingungen, die Vernetzung von Datenbanken, die Absprachen miteinander operierender und konkurrierender Behörden ins Spiel. Auf dieser Ebene hat auch Deutschland noch viel zu tun. Die Debatte über eine Reform des kaum noch Sicherheitsarchitektur zu nennenden Kompetenzwirrwarrs hat gerade erst begonnen. Sowohl für die Prävention wie für die Analyse bereits geschehener Anschläge genügen die wenigen bereits errichteten Schnittstellen nicht. Der 15. Juli, an dem ein von Experten ernst genommenes Ultimatum Al Qaidas gegenüber dem im Irak engagierten Westen abläuft, rückt näher. Es braucht hoffentlich nicht solcher plakativer Termine, um das Problem wieder in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Dies kann nicht in Panik geschehen, sondern aus dem Bewusstsein, vor einer noch immer unterschätzten Herausforderung zu stehen.
ots-Originaltext: Berliner Morgenpost
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