Berliner Morgenpost/Ramadan in Kriegszeiten/Leitartikel von Chefredakteur Peter Schink
Berlin (ots)
Fünf Menschen sterben am Freitag in Gaza, sie werden erschlagen von einer Hilfslieferung. Bei einer von einem Flugzeug abgeworfenen Palette hatte sich offenbar der Fallschirm nicht richtig geöffnet. Es bleibt eine kurze Meldung in diesen Tagen des Leids, des Hungers.
Am Sonntagabend beginnt der Fastenmonat Ramadan. Dann grüßen sich alle Muslime 30 Tage lang weltweit mit "Ramadan Mubarak!", was so viel heißt wie "gesegneter Ramadan". Es soll eigentlich eine Zeit der inneren Einkehr und Gemeinschaft sein, in der Muslime Gott so nahe wie möglich kommen wollen. Nun wird der Ramadan in Gaza zu einer Zeit des Krieges, für Feierlichkeiten wird den Menschen dort wenig Raum bleiben - wenn nicht in letzter Minute in Kairo unter Vermittlung der USA noch ein Waffenstillstand vereinbart wird. An diesem Sonntag könnte noch einmal verhandelt werden.
Absurderweise ist es die Hamas, die die Verhandlungen bis zuletzt blockiert hatte. An einem Frieden im heiligen Monat hatten die Terroristen kein Interesse. Erst hatte sich Yahya Sinwar, der Anführer der Hamas im Gazastreifen, aus den Verhandlungen in Kairo nahezu herausgehalten. Dann stellte er die absurde Forderung auf, Israel solle eine dauerhafte Einstellung der Kämpfe zusagen. Sein Kalkül ist simpel: Er kann den Ramadan nutzen, um die Muslime weltweit auf einen "Dschihad" einzuschwören. Ein Krieg im heiligen Monat? Im Islam ist das zumindest nicht ausgeschlossen. Die Geschichte kennt islamische Kriege auch während des Ramadans. Während des Afghanistankrieges im Jahr 2001 hatten jedoch muslimische Länder explizit unter Berufung auf den Ramadan eine Waffenruhe von den USA gefordert. Denn eigentlich ist Ramadan ein friedlicher Monat. Nun droht es ein Monat der Extremisten zu werden. Weil die es so wollen. Die Hamas hat bereits zum "Marsch auf den Tempelberg" aufgerufen.
Die Menschen im Gazastreifen könnten eine Unterbrechung des Krieges dringend gebrauchen. Mit jedem Tag, den der Krieg länger dauert, wachsen das Leid, der Hunger und zugleich auch der Hass in der muslimischen Welt. Wenn es eine Lehre gibt, die man schon jetzt aus dem 7. Oktober und dem Gazakrieg ziehen kann, dann ist es die: Der Hass als unablässige Quelle neuer Konflikte und Kriege in Nahost muss eingedämmt werden.
Das aber ist nur möglich, wenn die Profiteure das Hasses nicht länger profitieren. Die Liste derer ist lang, auf beiden Seiten. Es ist so gesehen nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn die EU und die USA nun versuchen, die Palästinenser mit Hilfe eines temporären Hafens vom Meer aus zu versorgen. Wenn es klappt, wird zumindest die Hungerkatastrophe verhindert. Zurück bleibt die Frage, warum die Regierung von Benjamin Netanjahu nicht selbst in der Lage war, die humanitäre Versorgung des Gazastreifens zu organisieren oder zumindest zu ermöglichen.
Was nach Ende des Krieges folgen muss, ist eine neue Ordnung im Gazastreifen, sie wird die Basis sein für alles, was kommt. Nach der Haager Landkriegsordnung von 1907 ist Israel als Besatzungsmacht dafür verantwortlich. Dazu gehört neben der allgemeinen Ordnung auch die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln.Klar ist aber auch, es muss eine neue Führung in Gaza geben, die Hamas ist Geschichte. Es wird eine neue Führungsriege bei den Palästinensern brauchen, die dem Hass endgültig abschwört. Nur dann erwächst aus diesem Krieg, aus Leid und Zerstörung die Hoffnung auf eine Zukunft, die den Namen auch wert ist.
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