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Berliner Morgenpost: Lauterbachs Experiment
Leitartikel von Peter Schink

Berlin (ots)

Es lohnt sich manchmal, in Streitfragen den Kern des eigentlichen Problems noch einmal herauszuarbeiten. Bei dem am Freitag vom Bundesrat mit knapper Mehrheit verabschiedeten Cannabis-Gesetz ist das auf jeden Fall so. Worum geht es also? Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist davon überzeugt, die teilweise Legalisierung von Cannabis werde den Schwarzmarkt austrocknen und den Umgang mit der Droge entkriminalisieren. Die Zahl der Cannabis-Konsumenten werde durch das Gesetz nicht steigen, entgegnet er seinen Kritikern. Er beruft sich auf Studien, auf Daten aus Kanada und Colorado. Die andere Seite widerspricht: Das Gesetz gefährde die Gesundheit der Jugendlichen, werde den Schwarzmarkt vergrößern und sei zudem ein bürokratisches Monster.

Was stimmt denn nun? Lauterbach verteidigt sein Gesetz, weil er sagt, so bleiben könne es nicht. Denn der Cannabis-Konsum ist extrem gestiegen, die Umsätze auf dem Schwarzmarkt auch. Sein Problem: Der Gesundheitsminister hat seine Kritiker nicht überzeugen können, nicht einmal die in den eigenen Reihen. Dementsprechend harsche Kritik muss er sich jetzt gefallen lassen.

Lauterbachs Verweis auf Erfahrungen anderer Länder hilft zudem wenig, denn die Zahlen stützen seine Thesen nur bedingt. In Kanada ist im Jahr 2018 der Konsum von Cannabis bei Jugendlichen nach der Legalisierung gestiegen. Experten gehen aber davon aus, dass das ein statistischer Effekt sein könnte - die Jugendlichen also auch schon vorher mehr konsumierten, die Dunkelziffer aber höher war. Der Umsatz auf dem Schwarzmarkt ging in Kanada tatsächlich zurück. Der Konsum von Cannabis sank in Kanada durch die Legalisierung nicht. Es wäre ja auch verwunderlich. Lauterbach verspricht, Jugendliche durch eine bessere Aufklärung vom Cannabis-Konsum abhalten zu können, aber das bleibt erst einmal eine Hoffnung. Die Sorge, insbesondere von Eltern, das für Heranwachsende schädliche THC werde zur Alltagsdroge, hat er nicht entkräften können.

Nun ist das Gesetz im Bundestag und Bundesrat beschlossen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge, fordert, der Bundespräsident müsse dem Gesetz Einhalt gebieten und dürfe es nicht unterschreiben. Nun muss der Bundespräsident nach Artikel 82 Grundgesetz mit seiner Unterschrift tatsächlich sicherstellen, ob ein Gesetz "nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes" zustande gekommen ist. Acht Mal haben Bundespräsidenten in der Geschichte der Bundesrepublik ihre Unterschrift verweigert, weil sie formale Zweifel hatten oder ein Gesetz für grundgesetzwidrig hielten.

Ob das Lauterbach-Gesetz aber gegen das Grundgesetz verstößt? Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Bundespräsident das feststellen wird. Bislang urteilte das Verfassungsgericht zwar zu Cannabis, es gäbe kein "Recht auf Rausch", sie überließen aber dem Gesetzgeber eine Regelung.

Wie sich die Legalisierung von Cannabis hierzulande auswirkt, werden wir nun also erfahren. Keine Erfahrungen anderer Länder, keine Studien und keine historischen Ableitungen können das voraussagen. Der Gesundheitsminister macht 84 Millionen Menschen zu Versuchskaninchen beim Thema Gesundheit. Die Verantwortung muss er, der mit dem Kopf durch die Wand marschiert ist, nun selbst tragen. Lauterbach täte gut daran, sehr genau zu überprüfen, welche Effekte sein Gesetz hat.

Pressekontakt:

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Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

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