Berliner Morgenpost: Pulverfass Nahost
ein Kommentar von Michael Backfisch zur Tötung iranischer Militärs
Berlin (ots)
Die Tötung von zwei iranischen Spitzenmilitärs mitten im Gaza-Krieg ist eine schlechte Nachricht. Sie befeuert die Ängste vor einem regionalen Flächenbrand, der das Schlachtfeld über den Gazastreifen hinaus ausweiten könnte. Israel schweigt zwar zur Tötung von Top-Kommandeuren der iranischen Revolutionsgarden in Damaskus. Doch die Bombardierung eines Gebäudes der iranischen Botschaft trägt die Handschrift israelischer Angriffe. Seit Jahren zielt Israels Luftwaffe auf Stellungen der iranischen Revolutionsgarden sowie auf schiitische Milizen in Syrien, die von Teheran gesponsert sind. Jerusalem rechtfertigt dies mit der Verhinderung potenzieller Attacken auf das eigene Land.
Der Luftschlag in Damaskus kommt zu einer Zeit, in der der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu extrem unter Druck steht. Zehntausende Bürger demonstrieren seit Tagen gegen ihren Regierungschef. Sie fordern einen Deal mit der Hamas zur Befreiung der Geiseln sowie Neuwahlen. Der Tod von sieben Mitgliedern der Hilfsorganisation "World Central Kitchen" durch einen israelischen Luftangriff im Gazastreifen hat eine Welle internationaler Kritik ausgelöst. Dass Netanjahu die Tötung der Helfer so gefühllos als "Kriegsunfall" bezeichnet, wird die weltweite Isolation des Landes verstärken. Zudem zeugt die Schließung des arabischen TV-Senders Al-Dschasira in Israel von einem Maximum politischer Dünnhäutigkeit und hat mit Pressefreiheit nichts zu tun.
Vor diesem Hintergrund birgt die Tötung der beiden iranischen Generäle ein hohes Eskalationsrisiko. Irans Staatsoberhaupt Ali Chamenei hat bereits Vergeltung angekündigt. Ein direkter Eintritt seines Landes in den Gaza-Krieg ist dennoch unwahrscheinlich. Das Mullah-Regime weiß, dass es der Atommacht Israel militärisch unterlegen ist. Zudem befindet sich die iranische Wirtschaft im Dauer-Krisenmodus, was den Unmut der Bevölkerung am Kochen hält.
Teheran wird jedoch seinen asymmetrischen Krieg gegen Israel verstärken, indem es verschiedene Terrorgruppen in der Region mobilisiert. Die "schiitische Achse des Widerstandes" - der Iran und die mit ihm verbündeten Milizen - wird ihre Angriffe hochfahren. Das betrifft in erster Linie die Hisbollah im Libanon, die über bis zu 150.000 Raketen verfügt und Israel zunehmend von der zweiten Front im Norden aus unter Beschuss nehmen wird. Die Huthi-Rebellen im Jemen, die von Teheran mit modernsten Waffen ausgerüstet sind, werden die Attacken auf Containerschiffe im Roten Meer ausweiten und den Welthandel lähmen. Die schiitischen Milizen im Irak und in Syrien dürften die amerikanischen Militärbasen im Nahen Osten noch mehr ins Visier nehmen.
Der Iran verfolgt zwei Ziele. Erstens: Israel soll durch einen Mehrfronten-Krieg zermürbt und am Ende als "zionistisches Gebilde" von der Landkarte getilgt werden. Der Kampf der Hamas gegen Israel ist ein Baustein in diesem Schlachtplan. Zweitens: Die USA sollen ihre Stützpunkte in der Region räumen und als Schutzmacht Israels verschwinden. Diese Agenda birgt das Risiko einer mehrstufigen Eskalation. Werden US-Militärbasen im großen Stil angegriffen, besteht die Gefahr amerikanischer Vergeltungsattacken - vielleicht auch auf Ziele im Iran. Das führt zu der Frage: An welchem Punkt wird Russland, das aus Teheran Drohnen und Raketen für den Krieg gegen die Ukraine bekommt, eingreifen? Der Gaza-Krieg könnte sich als Lunte für einen noch umfassenderen Konflikt erweisen.
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