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"Berliner Morgenpost": Hass als Geschäftsmodell
Leitartikel von Theresa Martus zu Politikerinnen und Politikern, die von Rechtsextremisten unter Druck gesetzt und attackiert werden

Berlin (ots)

Zwei Meldungen, wenige Tage hintereinander: Die Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) wird sich nach drei Legislaturperioden im Bundestag 2025 nicht zur Wiederwahl stellen. Und Landrat Dirk Neubauer, erst vor zwei Jahren gewählt, will sein Amt bei nächster Gelegenheit zur Verfügung stellen.

Magwas und Neubauer kommen beide aus Sachsen, sie aus dem Vogtland, er aus Mittelsachsen. Und sie begründen ihre Rückzüge ähnlich - mit den Beleidigungen, Verleumdungen bis zu Bedrohungen, denen Politiker und Politikerinnen inzwischen häufig ausgesetzt sind. Neubauer war kürzlich erst umgezogen, um Anfeindungen der rechtsextremen Kleinpartei Freie Sachsen an seinem Wohnort zu entgehen. Kurz darauf gab es einen Aufruf auf deren Telegram-Kanal, die neue Adresse des Parteilosen herauszufinden.

Als der Landrat nun seinen Rückzug erklärte, feierten die Freien Sachsen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, das als ihren Erfolg. Magwas und Neubauer sind nicht die Ersten, die gehen, weil der persönliche Preis zu hoch ist. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren solche Nachrichten. Gewählte Politikerinnen und Politiker, die von Rechtsextremen so lange bedroht und belästigt werden, bis sie sich nicht mehr in der Lage sehen, ihr Amt auszuüben: Das ist eine Entwicklung, die das Potenzial hat, das Fundament der Demokratie zu sprengen. Das gilt ganz besonders im Lokalen, wo Bürgermeisterinnen, Landräte, Kreistagsabgeordnete mit der Bedrohung häufig alleingelassen werden. Denn während Berlin und Brüssel häufig weit weg sind, werden viele Entscheidungen, die den Alltag bestimmen, vor Ort gemacht. Die neue Kita, die Umgehungsstraße, das Nahwärmenetz, mit dem sich ein Dorf selbst versorgt - das alles kommt nicht, wenn sich nicht jemand darum kümmert.

In der kommunalen und regionalen Politik wird auch die Erfahrung geprägt, dass Mitreden etwas ändern kann. Dort kann man erfahren, dass und wie demokratische Prozesse funktionieren, und das Politik eben nichts ist, was "die da oben" irgendwo machen, sondern ein gemeinsames Projekt. Eines, das nicht immer einfach ist, oft auch kleinteilig und ja, langweilig. Aber eben auch besser als alle Alternativen. Für das Vertrauen in die Demokratie ist die Kreistagssitzung deshalb genauso wichtig wie eine Abstimmung im Bundestag. Wenn aber manche von denen, die mitreden wollen, das nicht mehr in Sicherheit tun können, gefährdet das alle Demokraten.

Nur scheint das noch nicht bei allen angekommen zu sein: Aus der CDU Sachsen kam als Reaktion auf Neubauers Rücktritt wenig Solidarität, stattdessen Vorwürfe, er würde sich wie ein "bockiges Kind" aufführen. Nachtreten statt Unterstützung, das ist schon bemerkenswert kurzsichtig. Gerade die Partei des ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke sollte wissen, wohin rechtsextreme Bedrohungen im Ernstfall führen.

Rückzüge wie die von Magwas und Neubauer sind ein Alarmsignal und müssen als solches gehört werden, in Sachsen genauso wie im Rest des Landes. Demokratinnen und Demokraten müssen klarmachen, dass sie gegen diese Form der Bedrohung zusammenstehen - nicht nur die in den Parteien, sondern auch alle anderen. Gelingt das nicht, wird die Zahl derer, die bereit sind, sich in der Lokalpolitik einzusetzen, immer kleiner werden. Bis irgendwann nur noch die übrig sind, deren Geschäftsmodell Hass und Ausgrenzung sind. Und dann wird es, in den Worten von Yvonne Magwas, "dunkel und kalt".

Pressekontakt:

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Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

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