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"Berliner Morgenpost": Der Übergangskanzler/ Olaf Scholz wollte ein Jahrzehnt prägen, nun droht das frühzeitige Scheitern. Ein Leitartikel von Jan Dörner

Berlin (ots)

Was über Olaf Scholz einmal in den Geschichtsbüchern steht, hängt von den Geschehnissen der kommenden Tage ab. Als der Sozialdemokrat im Dezember 2021 das Amt als Bundeskanzler antrat, endete die Ära Merkel. Nach 16 Jahren christdemokratisch geführter Regierungen wollten SPD, FDP und Grüne die Fenster aufreißen und Deutschland durchlüften. Scholz träumte von einem sozialdemokratischen Jahrzehnt und das Ampel-Bündnis überhöhte sich als Fortschrittskoalition.

Drei Jahre später muss Scholz befürchten, dass seine Regierung vorzeitig zerbricht. Den Partnern sind die politischen Gemeinsamkeiten ausgegangen. Wofür sie Geld ausgeben wollen, welche Impulse der schlingernden Wirtschaft helfen, wie viel Sozialstaat gerecht und bezahlbar ist, ob Wohlhabende stärker belastet werden müssen - auf diese und andere Fragen geben die drei Parteien grundsätzlich verschiedene Antworten.

Der scheidende Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour nannte das Bündnis unlängst eine "Übergangsregierung". Scholz ist demnach ein "Übergangskanzler" zwischen Angela Merkel und - aller Wahrscheinlichkeit nach - Friedrich Merz. Der Sozialdemokrat hatte andere Pläne und ein anderes Selbstbild. Olaf Scholz und die Ampel-Koalition sind gescheitert an der harten Realität - und an sich selbst. Der Kanzler fand Altlasten der Merkel-Regierung vor und startete noch in der Pandemie. Wenige Wochen später überfiel Putin die Ukraine und erschütterte das Weltgeschehen.

Der Kanzler und seine Regierung steuerten das Land erfolgreich durch eine vom Krieg ausgelöste Energiekrise. Scholz rief die "Zeitenwende" aus, wie konsequent er diese verfolgt hat, ist umstritten. Zu Recht weist der Kanzler darauf hin, dass Deutschland unter seiner Regierung mit Abstand der zweitgrößte militärische Unterstützer der Ukraine hinter den USA ist. Putins Krieg hat Deutschland Milliarden gekostet, die nun fehlen.

Dass Kanzler und Koalition in Umfragen so schlecht dastehen und sich viele Menschen Neuwahlen wünschen, ist jedoch zu einem großen Teil selbstverschuldet. Der ewige Streit in der Koalition gepaart mit dem bisweilen entrückten Regierungsstil des Kanzlers hat zu einer Entfremdung geführt. Das hausgemachte Chaos um das Heizungsgesetz war toxisch für die Stimmung im Land. Scholz hatte Führung versprochen, lieferte die aber nicht.

Schließlich zerstörten handwerkliche Fehler wie die vom Bundesverfassungsgericht kassierte Haushaltsführung Scholz' Image vom zugeknöpften, aber verlässlichen Regierungsfachmann. Endgültig zerbrechen könnte die Koalition nun daran, dass sie zu spät auf die Wirtschaftskrise reagierte. Als andere bereits warnten, verwies Scholz noch besserwisserisch auf einen zu erwartenden Aufschwung. Inzwischen vergeht kaum ein Tag ohne weitere Hiobsbotschaften, die Ampel-Parteien hauen sich aber noch ihre widersprüchlichen Konzepte um die Ohren.

Bis vor Kurzem planten Scholz und sein Umfeld noch seine Wiederwahl. Jetzt müssen sie befürchten, dass es die Ampel über der Wirtschafts- und Haushaltspolitik zerreißt. Offen wird über die Vertrauensfrage und vorgezogene Neuwahlen diskutiert. Scholz könnte als vorzeitig gescheiterter Kanzler in Erinnerung bleiben. Unsicher ist jedoch, ob es nach ihm besser wird. Möglicherweise war Scholz auch nur der erste Amtsinhaber in einer langen Phase der anhaltenden politischen Instabilität in Deutschland und in der Welt.

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