All Stories
Follow
Subscribe to BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Führung sieht anders aus
Leitartikel von Joachim Fahrun zur Sparliste des Berliner Senats

Berlin (ots)

Für den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) war die Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses ein gemütlicher Termin. In der Woche, in der die von ihm geführte Koalition aus CDU und SPD eine Drei-Milliarden-Euro-Konsolidierungsliste beschlossen hat und die Folgen in Behörden, Kultureinrichtungen und Sozialprojekten allmählich klar werden, sagte Wegner auf der wichtigsten Bühne der Stadt: nichts.

Auf eine von der Opposition geforderte Regierungserklärung verzichtete der Regierungschef. In der kurzen Aktuellen Stunde zu den Landesfinanzen überließ der Senat seinen Redebeitrag dem Finanzsenator Stefan Evers (CDU). Führung, klare Worte und Empathie für die Menschen, die nun etwa in Theatern, der freien Kulturszene oder bei Sozialträgern um ihre Jobs fürchten, sieht anders aus. Aber auch die Opposition versagte. Sie schaffte es nicht, dem obersten Koalitionsvertreter auch nur eine kritische Frage zu stellen.

Der Nichtauftritt im Plenum passt zu Wegners eher zurückhaltendem Engagement in der Kürzungsdebatte. Während die Sherpas die letzten Sparmaßnahmen verhandelten, weilte der Regierende in den USA, konnte sich allenfalls sporadisch einschalten. Seine Senatsmitglieder haben offenbar auch erst sehr kurzfristig von dem erfahren, was ihnen nun bevorsteht.

Jedenfalls zeigen sie sich nicht in der Lage, nach monatelanger Debatte nun zu konkreten Kürzungsbeschlüssen für ihre Häuser Stellung zu nehmen. Bisher gibt es zu den gesamten, so noch nie da gewesenen Kürzungen außer einer 17-seitigen Sparliste und ein bisschen Selbstlob bei der Pressekonferenz am Dienstag keine offizielle Information zu den Koalitionsbeschlüssen. Und so simulierte Berlins Landesparlament in dieser heißesten landespolitischen Woche des Jahres ganz einfach business as usual.

Man kann Wegner und der Koalition nicht vorwerfen, dass sie nun sparen. Wohl aber, dass sie die Stadt nicht auf das vorbereitet haben, was ansteht. Wegner selbst hat lange vielen Leuten Geld versprochen, das es auch damals nicht gab.

Es gibt gute Gründe, warum Haushaltsberatungen in Parlamenten sich über Monate hinziehen. Natürlich müssen die Politiker abwägen, was etwaige Kürzungen für Folgen zeitigen. Den Oppositionsfraktionen muss es möglich sein, die Pläne der Regierungskoalition gründlich zu prüfen und sich mit eigenen Vorschlägen einzubringen. All das findet in diesem Dezember nun im Eiltempo statt. Zahlreiche Fragen werden offen bleiben.

Die Debatte im Abgeordnetenhaus diente dem Austausch von Schuldzuweisungen. Die CDU warf den Grünen vor, für die Finanzmisere verantwortlich zu sein. Den Koalitionspartner SPD, immerhin bis 2023 stärkste Regierungspartei von Rot-Grün-Rot, ließ sie ungeschoren. Linke und Grüne verwiesen darauf, dass Schwarz-Rot den Landeshaushalt in einem Jahr um 3,4 Milliarden Euro aufgepumpt hat, fünfmal mehr als die durchschnittlichen Zuwächse vergangener Jahre. Für das von Spardruck geplagte Publikum bringt das alles nichts. Hinweise, wie sie mit den Einsparvorgaben umgehen sollen, gab es keine. Stattdessen ging es im Hinterzimmer weiter, wo dann doch noch innerhalb der Sparvorgaben Details verändert werden sollen. Die Unklarheit, wie es weitergeht, dürfte noch bis weit ins nächste Jahr anhalten. Für Berlin, seine Kultur und seine sozialen Dienstleister ist diese Ungewissheit nach der bereits ein Jahr währenden Hängepartie um die Finanzen schädlich.

Pressekontakt:

BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original content of: BERLINER MORGENPOST, transmitted by news aktuell

More stories: BERLINER MORGENPOST
More stories: BERLINER MORGENPOST
  • 21.11.2024 – 19:18

    Berliner Morgenpost: Mission Impossible / Kommentar von Jörg Quoos zur SPD

    Berlin (ots) - Wenn Politikwissenschaftler künftig ein Seminar über taktische Fehler bei der Aufstellung von Spitzenkandidaten geben, haben sie ein neues Referenzbeispiel. Es ist noch krasser als die Feldschlacht zwischen CDU und CSU vor der Bundestagswahl 2021. Die Nominierung des SPD-Spitzenkandidaten für die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar ist eine ...

  • 20.11.2024 – 19:14

    Berliner Morgenpost/Das Männer-Problem/Leitartikel von Christian Unger

    Berlin (ots) - Spitzenpolitik ist kaum divers. Das entfremdet - und muss sich ändern Olaf, Robert, Christian, Boris, Lars, Friedrich, Markus, Carsten, Hendrik, Matthias. Was haben diese Vornamen gemeinsam? Sie gehören zum aktuellen Tableau der deutschen Spitzenpolitik. Sie ringen um Macht, sie führen Regierungen an - oder wollen es wenigstens. Alle männlich, alle ...

  • 20.11.2024 – 19:12

    Berliner Morgenpost/Nun muss sich VW bewegen/Kommentar von Joachim Schweiger

    Berlin (ots) - In der VW-Tarifrunde könnten die Positionen nicht weiter auseinanderliegen. Auf der einen Seite die IG Metall, die 7 Prozent mehr Entgelt fordert, und mit ihr der Betriebsrat. Auf der anderen Seite der Autobauer VW, der vor Verhandlungsbeginn die seit 1994 geltende Beschäftigungssicherung gekündigt hat und seitdem mit Massenentlassungen und ...