All Stories
Follow
Subscribe to BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Wo die Freiheit hell strahlt
Leitartikel von Thorsten Knuf

Berlin (ots)

Mit der Freiheit verhält es sich wie mit der Gesundheit: Vielen Menschen wird ihr Wert erst bewusst, wenn sie nicht mehr da ist. Dinge, die heute noch selbstverständlich erscheinen, geraten plötzlich in Gefahr und können schon bald unmöglich sein. Auf jeden Fall ist es ratsam, sich rechtzeitig mit Risiken auseinanderzusetzen. Und zu kämpfen, wenn es notwendig wird. In diesen Wochen kann man an verschiedenen Orten des Planeten viele Menschen beobachten, die für Freiheit kämpfen.

In Südkorea verhängte der Präsident am Dienstag im Zuge einer innenpolitischen Auseinandersetzung das Kriegsrecht. Es war ein Staatsstreich von oben, der aber binnen Stunden zusammenbrach. Die Parlamentarier in der Nationalversammlung und die Demonstranten davor zwangen Yoon Suk-yeol zu einer Kehrtwende, Gewerkschaften wollen ihn jetzt mit einem Generalstreik aus dem Amt jagen. Es geht um die Zukunft Südkoreas als demokratischer, liberaler Staat.

Auch in Georgien gehen gerade Menschen auf die Straße: Sie wollen, dass ihr Land eines Tages Mitglied der Europä­ischen Union wird. Die moskaufreundliche Regierung soll ihre Entscheidung zurücknehmen, auf Jahre keine Beitrittsverhandlungen mit der EU zu führen. Auch diese Demonstrationen sind mit großen Gefahren verbunden. Hunderte Bürger wurden in den vergangenen Tagen festgenommen, viele von ihnen verletzt. Und in der Ukraine, die sich seit fast drei Jahren eines fürchterlichen Angriffskrieges erwehrt, geht es ebenfalls um die ganz grundsätzliche Frage, ob das Land frei bleibt und über sein Schicksal selbst bestimmen kann - oder ob es zum Vasallen Russlands wird.

Viel ist in den vergangenen Jahren über die Krise der Demokratie und der liberalen, vom Westen geprägten Weltordnung geschrieben worden. Diese Krise ist mit Händen zu greifen. Sie zeigt sich unter anderem darin, dass in nahezu allen westlichen Ländern Populisten und Antidemokraten auf dem Vormarsch sind. USA, Deutschland, Frankreich, Italien: Beispiele dafür gibt es zuhauf.

Doch während in den westlichen Demokratien viele Menschen mit dem bestehenden System hadern, scheint anderswo die Strahlkraft ebenjenes Systems ungebrochen zu sein. Siehe Ukraine, Georgien, Südkorea. Der Wunsch, in Freiheit und Demokratie zu leben, ist so stark, dass sich in kritischen Augenblicken die Massen dafür erheben.

Das ist eine gute Nachricht inmitten sehr vieler schlechter. Sie sollte jenen in Europa und Amerika zu denken geben, die sich nach einer harten Hand sehnen und glauben, man müsse die Verhältnisse nur ordentlich durcheinanderwirbeln oder gar zertrümmern, dann werde schon alles gut. Tatsächlich wird dann gar nichts gut. Für die Gesellschaft nicht und für den Einzelnen erst recht nicht.

Niemand kann heute ausschließen, dass in absehbarer Zeit nicht auch die Menschen im alten Westen für ihre Freiheit und ihre Demokratie werden kämpfen müssen. Dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump, der das Recht verachtet und Autokraten verehrt, ist vieles zuzutrauen. Deutschland wiederum wird bei den Neuwahlen im Februar 2025 sicherlich nicht den Antidemokraten anheimfallen. Für die Wahl 2029 hingegen sollte man heute mit Prognosen vorsichtig sein. Wie instabil Frankreich geworden ist, lässt sich in diesen Tagen abermals besichtigen.

Es gibt noch eine Parallele zwischen Freiheit und Gesundheit: Man muss dafür etwas tun. Und zwar ständig. Nicht erst, wenn es brenzlig wird.

Pressekontakt:

BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original content of: BERLINER MORGENPOST, transmitted by news aktuell

More stories: BERLINER MORGENPOST
More stories: BERLINER MORGENPOST
  • 04.12.2024 – 19:15

    Berliner Morgenpost: Mathetest lässt aufatmen / Kommentar von Birgitta Stauber

    Berlin (ots) - Noch mal davongekommen: Das ist wohl das Fazit, das sich aus der aktuellen Schulstudie Timss ergibt. Die deutschen Grundschulkinder rechnen nicht schlechter als 2019 - obwohl sie eine Pandemie hinter sich haben. Das aber als gute Nachricht zu verkaufen, ist wohl eher als Griff nach dem rettenden Strohhalm zu verstehen. Denn wie einbetoniert hängt in ...

  • 03.12.2024 – 19:10

    Schon 423 Polizei-Einsätze im Flüchtlingszentrum Tegel in diesem Jahr

    Berlin (ots) - Seit einigen Tagen schon reißen die Negativschlagzeilen über das Ankunftszentrum im ehemaligen Flughafen Tegel nicht ab. Knapp 5000 Geflüchtete leben derzeit auf engstem Raum in der Unterkunft, die Wohnsituation gilt als prekär. Der Senat versucht daher schon lange, die Bewohner in dezentrale Wohnungen im Stadtgebiet unterzubringen, scheitert aber ...

  • 03.12.2024 – 19:00

    Die Börse läuft trotz Krise - Kommentar von Dominik Bath

    Berlin (ots) - Deutschlands Wirtschaft kränkelt, die Börse boomt. Am Dienstag kletterte der deutsche Aktienindex Dax auf ein Rekordhoch und übersprang die Marke von 20.000 Punkten. Man könnte meinen, dass es den deutschen Firmen gerade richtig gut geht. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Dax-Entwicklung hat nichts mit dem Darben der Wirtschaft im Inland zu tun. Vielmehr zeigt sich, dass sich viele Konzerne längst ...