Berliner Morgenpost: Kommentar - Geiselnahme
Berlin (ots)
Es ist eine einzige Katastrophe; vor allem eine menschliche, aber auch eine politische. Wer die Bilder mit den Angst verzerrten Gesichter der geretteten Kinder, mit den verzweifelten Blicken der um das Leben ihrer Liebsten bangenden Angehörigen und die von den so lange hilflos abwartenden Sicherheitskräften gesehen hat, der kann allenfalls ahnen, welche Tragödie sich in der nordkaukasischen Kleinstadt Beslan ereignet hat. Dabei zeichnet sich das volle Ausmaß dieser bisher brutalsten Geiselnahme erst langsam ab. Gezielt Kinder zu Opfern einer Geiselnahme zu nehmen, das hat es in dieser Form bisher nicht gegeben. Es fällt schwer, die Terroristen von Beslan noch Menschen zu nennen. Über die Zahl der wirklich Verletzten und Toten fehlt es bisher an verlässlichen Informationen. Auch über die Hintergründe, die letztlich zum Sturm auf das Schulgebäude geführt haben, gibt es vorerst wie immer in Russland mehr Spekulationen als glaubwürdige Aussagen. Aber als Erfolg, das leider wird man bereits sagen müssen, kann die Befreiungsaktion nicht bezeichnet werden. Keine Frage, dass die Verantwortlichen mit der Erstürmung des Gebäudes nicht mehr lange warten konnten und die erst beste Gelegenheit zum Einsatzbefehl geben mussten. Noch ein oder zwei Tage länger hätten es vor allem die Kinder kaum in der Gewalt der ohne jedes Mitgefühl operierenden Gangster ausgehalten. Dass der verzweifelte Rettungsversuch aber unter derart chaotischen Umständen ablief, dass ein Teil der Terroristen entkommen und sich weitere Gefechte mit den Soldaten liefern konnten, wirft lange Schatten auch auf Vorbereitung, Einsatz und Ausrüstung der militärischen wie polizeilichen Kräfte. Eine weiträumige Absperrung wäre wohl das Mindeste gewesen, um die Flucht der Terroristen zu verhindern und das offenkundige Chaos in der Umgebung des Orts des Schreckens nach der Befreiung der Überlebenden zu verhindern. Das ist denn auch nach der menschlichen die politische Katastrophe. Wladimir Putin ist es einmal mehr nicht gelungen, sich als starker Mann zu präsentieren, der dem tschetschenischen Terrorismus ein Ende bereitet mit welchen Mitteln auch immer.
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