Berliner Morgenpost: Kommentar - Wahlen
Berlin (ots)
Selten geschieht es, dass der Osten im Blickpunkt des Geschehens der gesamten Republik steht. Schon allein deshalb ist dieses Wochenende bedeutend für die neuen Länder. Die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen werden Aufschluss geben über die tatsächliche Lage beim Aufbau Ost, denn an den Wahlergebnissen und der Wahlbeteiligung wird man ablesen können, wie die Stimmungslage ist. Interessant ist das schon deshalb, weil beide Bundesländer zwar Nachbarn sind, aber auch unterschiedlicher kaum sein könnten. Brandenburg war seit der Wende eine Hochburg der SPD, was viel mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe zu tun hat. Doch auch der im Stile eines jovialen Landesvaters seine Märker Regierende hat sich 1999 nur an der Macht halten können, weil er die CDU mit an den Kabinettstisch holte. Nun sitzt Stolpes politischer Erbe Matthias Platzeck in der Zwickmühle zwischen der stärker gewordenen CDU und einer PDS, die auf der Welle der Anti-Hartz-Proteste zum Höhenflug angesetzt hat. Sachsen dagegen wird seit 1990 von der CDU regiert. Der Freistaat gilt anders als Brandenburg als Muster-Neuland. Doch auch für den amtierenden Ministerpräsidenten Georg Milbradt könnte es heute Abend knapp werden. Denn es gibt neben der PDS ein zweites Phänomen im Osten: die Rechtsextremen. In Brandenburg sitzen sie als DVU, wirkungslos und kaum beachtet, seit fünf Jahren im Landtag. In Sachsen will nun die NPD gleichziehen. Glaubt man den Umfragen und schaut auf die Ergebnisse der Kommunalwahl im Juni, dann wird das mit einem Donnerschlag geschehen. Der rechte Spuk hat sich lange angekündigt. Niemand wird nach dem Urnengang mehr sagen können, er sei überrascht davon. Auch deshalb nicht, weil es eindringliche Appelle an die 5,7 Millionen Wahlberechtigten in beiden Ländern gab, sich an der Abstimmung zu beteiligen. Selbstverständlich sollte das eigentlich schon deshalb sein, weil erst die politische Wende demokratische Wahlen ermöglicht hat. Nicht Bundes-, sondern Landespolitik steht heute im Mittelpunkt. Die entscheidende Frage ist letztlich, ob es nach den Wahlen in Potsdam und Dresden Regierungskonstellationen geben wird, die wirtschaftspolitisch für Aufschwung sorgen. Den braucht der Osten ganz dringend, soll er nicht nur an den Wahltagen im Blickpunkt der gesamten Republik stehen.
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