Berliner Morgenpost: Kommentar - Karstadt
Berlin (ots)
Ein einst glänzender Name hat an Strahl- und damit an Anziehungskraft verloren. Um zu überleben, muss sich der Kaufhauskonzern Karstadt-Quelle einer Radikalkur unterziehen, wie sie in dieser Härte seit langem keinem großen deutschen Konzern mehr verordnet wurde. Betroffen sind auch die Berliner Häuser. Allein in der Hauptstadt sind mindestens 1000 Arbeitsplätze gefährdet. Glanzlichter, vor allem das KaDeWe, sollen verschont bleiben, bald sogar noch heller strahlen. Wieder einmal sind es die Beschäftigten, die die größten Opfer bringen müssen, um ein Unternehmen zu retten. Zweifellos leidet der Einzelhandel und damit auch die Kaufhausbranche schwer unter der Kaufzurückhaltung der Bundesbürger. Doch das ist nur ein Grund. Ein anderer ist das veränderte Kaufverhalten. Längst spüren auch die etablierten Kaufhäuser wie die Fachgeschäfte die Konkurrenz der Lebensmittel-Discounter, der Mode- Filialisten, Shoppingcenter und Fachmärkte. Schon seit einiger Zeit wird deshalb unter Experten diskutiert, ob das gut sortierte Warenhaus in bester Innenstadtlage, oder wie in Berlin auch in bester Bezirkslage noch Zukunft hat. Doch der entscheidende Grund für die bedrohliche Schwächung Karstadt-Quelles ist woanders zu finden: in der Vorstandsetage der Essener Konzernzentrale. Seit Jahren sind dort zu viele falsche Rezepte geschrieben worden. Immer neue Sanierungsfälle wie Neckermann und Hertie wurden übernommen, die erhofften Synergieeffekte mit der Fusion der Quelle-Gruppe blieben aus, mit dem Einstieg in artfremde Branchen wie Fitness- studios, Sportfernsehen oder die Kaffeehauskette Starbucks verzettelte sich der Konzern immer mehr. Im Vergleich zur Gesamtbranche sinkt sein Umsatz auffallend stärker. Nachdem wieder ein Vorstand wie der mit dessen Kontrolle beauftragte Aufsichtsrat über Jahre offenkundig versagt hat, gilt es für den neuen Vorstandschef und dessen personell ebenfalls veränderte Aufsichtsinstanz mit einer neuen Strategie zu retten, was noch zu retten ist. Von dieser Notaktion am schwersten werden die getroffen, die am wenigsten verantwortlich sind: Verkäufer, Kassiererinnen oder Lagerarbeiter. Aber selbst Streikaktionen würden ihre Lage am Ende nicht verbessern. Unbestreitbar bleibt, dass eine Sanierung überfällig ist, sollen nicht alle Mitarbeiter geopfert werden. Wie Hohn aber müssen sie empfinden, dass ihr alter Vorstandschef im Mai mit einer Abfindung von 10 Millionen Euro nach Hause geschickt wurde. Diese Summe würde gut in den Sozialplan passen für die, die entlassen werden.
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