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Berliner Morgenpost: Kommentar - Tag der Einheit

Berlin (ots)

In diesem Land kann man, anders als der düpierte
Bundeskanzler meint, doch noch etwas bewegen – nämlich mit vereintem
Protest hilf- und vor allem geschichtslose Entscheidungen rückgängig
machen. Vom Bundespräsidenten über den Bundestagspräsidenten, den
grünen Koalitionspartner, Teile der eigenen Partei bis hin zu fast
allen Medien – die Kritik an der Entscheidung, den 3.Oktober
als nationalen Feiertag abzuschaffen, war einhellig und geradezu
vernichtend. Kanzler Gerhard Schröder, Finanzminister Hans Eichel,
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und SPD-Parteichef Franz
Müntefering, die in einsamer Runde den arbeitsfreien Tag zur
Steigerung des Bruttosozialprodukts kurzerhand gestrichen hatten,
blieb nichts anderes übrig, als zum Rückzug zu blasen. Eine
überfällige Kapitulation; aber leider keine aus Einsicht. Der Kanzler
etwa überschreitet die Grenze zur Peinlichkeit, wenn er beleidigt
davon spricht, daß es in Deutschland noch immer nicht möglich sei,
für ein anständiges Entgelt ein bißchen länger zu arbeiten, weil das
an „fadenscheinigen Begründungen“ scheitert. Mit „fadenscheinigen
Begründungen“ also haben sowohl Bundespräsident Horst Köhler wie
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse vehement für die Beibehaltung
des Nationalfeiertags plädiert, der das Glück der Einheit
Deutschlands in Frieden und Freiheit, miterkämpft von den Bürgern,
unverrückbar in das Gedächtnis der Deutschen einprägen und damit für
dieses Land identitätsstiftend sein soll? Da hat sich Gerhard
Schröder mächtig vergaloppiert. Er sollte sich schleunigst zu einer
Entschuldigung durchringen. Und endlich auch begreifen, daß seine
Politik nach Gutsherrenart, nämlich an Partei, Fraktion und dem
Koalitionspartner vorbei, keinen Erfolg verspricht. Und Hans Eichel,
dem man ohnehin kaum noch glaubt, was er sagt? Er ist endgültig zu
einem Finanzminister auf Abruf geworden. Er scheint vor seiner
Schuldenpolitik kapituliert zu haben. Kraft- und einfallslos legt er
Haushaltspläne und Nachtragsetats vor, die das Papier nicht wert
sind, auf dem sie geschrieben stehen. So kann man kein Land aus
seiner schlimmsten Finanzkrise führen. Dennoch war gestern ein
glücklicher Tag. Weil diese Regierung schmerzlich erfahren mußte, daß
ihre Torheiten irgendwann gestoppt werden und weil sich gezeigt hat,
daß dieses Land nicht ganz so geschichtslos ist, wie viele Skeptiker
fürchten.
ots-Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe:
http://www.presseportal.de/story.htx?firmaid=53614

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Telefon: 030/25910
Fax: 030/25913244

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