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Berliner Morgenpost: Kommentar - Werteunterricht

Berlin (ots)

Erst mahnte der SPD Vorsitzende Franz Müntefering,
dann warnte eindringlichst der sozialdemokratische
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die Berliner SPD, den
Religionsunterricht als alternatives Pflichtfach zum Allerwelts-
Wertediskurs aus dem Lehrplan zu verbannen. Der Parteitag der
Hauptstadt SPD scherte sich bekanntlich nicht darum. Auf welch
religionsfeindlichen Kurs sie sich zusammen mit ihrem sozialistischen
Koalitionspartner PDS eingelassen hat und wie isoliert sie deshalb in
der Gesamtpartei dasteht, wurde den Berliner Genossen gestern
bescheinigt. Während einer Debatte im Bundestag machte keiner ihrer
Parteifreunde auch nur den Versuch, Verständnis für den Berliner
Irrweg zu zeigen. Und dann plädierte auch noch der Kanzler in einer
familienpolitischen Grundsatzrede dafür, Religion endlich auch in
Berlin als Wahlpflichtfach einzuführen. Das Thema ist endgültig ein
bundesweites. Es schadet dem Ruf der Stadt, der gesamten SPD droht es
wie ein weiterer Klotz am ohnehin lädierten Bein zu hängen. Berlin
ist nicht irgendeine Stadt. Berlin ist Hauptstadt mit Magnetwirkung
vor allem für kreative Menschen. Deshalb stößt das, was in dieser
Stadt etwa zur Schulpolitik beschlossen wird, auf weitaus größeres
Interesse als lokalpolitische Entscheidungen in anderen Großstädten;
irgendwann könnte man als Neu-Berliner davon ja auch selbst betroffen
sein. Schulen ohne das Angebot eines regulären Religionsunterrichts –
das dürfte bei den meisten in die Hauptstadt übersiedelnden Familien
mit Kindern auf Unverständnis stoßen. Zu der Sorge, die religiösen
Werte, auf denen unsere Gesellschaft letztlich fußt, würde
leichtfertig in die Ecke verbannt, kommt für die Bundes- SPD eine
politische hinzu: Sie steht im katholischen Rheinland mitten in einem
für sie äußerst schwierigen Wahlkampf. Da liefert ein Religionskampf
in der Hauptstadt dem Gegner willkommene Zusatzmunition.
Parteitagsbeschlüsse sind keine Senatsbeschlüsse. Noch ist völlig
unklar, welche Werteinhalte staatlicherseits an den Berliner Schulen
vermittelt werden sollen. Es fehlen die qualifizierten Lehrkräfte, es
mangelt wohl auch am Geld. Zeit zur Abkehr vom Irrweg ist also
gegeben. Einsame Entschlüsse zum Religionsunterricht seien „ganz und
gar verzichtbar“, mahnte der Kanzler. Das kommt der Empfehlung
gleich, eine Brücke zu den Kirchen aller Glaubensrichtungen zu bauen.
Die Berliner SPD sollte auf ihren Kanzler hören. Oder hat sie sich in
dieser Frage längst in die babylonische Gefangenschaft der PDS
begeben?
ots-Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe:
http://www.presseportal.de/story.htx?firmaid=53614

Rückfragen bitte an:

Berliner Morgenpost
Telefon: 030/25910
Fax: 030/25913244

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