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Philologenverband beklagt "Notenfarce" bei vielen Diplom- und Magisterprüfungen
Maßnahmenkatalog zur Gegensteuerung vorgelegt

Berlin (ots)

Den Verzicht auf fast jegliche Differenzierung bei
der Notenvergabe bei Diplom- und Magisterprüfungen in zahlreichen 
Fächern an deutschen Universitäten hat der Vorsitzende des Deutschen 
Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, erneut heftig kritisiert.
Nach den bisher vorliegenden Informationen zur Notenvergabe an 
einzelnen deutschen Universitäten wird allgemein erwartet, dass die 
demnächst vorliegende Folgestudie des Deutschen Wissenschaftsrats den
weiter anhaltenden Trend zu Spitzennoten, den die Erststudie von 2003
offenlegte, bestätigen wird. Damals lauteten die bundesdeutschen 
Durchschnittsnoten für Diplomprüfungen in Biologie 1,3, in Physik, 
Psychologie und Mathematik 1,4 und in Chemie 1,5. Aber auch bei 
Magisterprüfungen in den Geisteswissenschaften sah es nicht besser 
aus: 1,6 in Geschichte und 1,7 in Germanistik.
"Während in der Folge von PISA an deutschen Schulen durch 
Bildungsstandards und Zentralprüfungen wieder mehr Vergleichbarkeit, 
Differenzierung und echte Orientierung an Leistungsmaßstäben 
angestrebt und umgesetzt wird, verfallen die Notenmaßstäbe an 
deutschen Universitäten immer mehr. Sollte nicht wie in anderen 
Ländern gegengesteuert werden, werden nicht nur die deutschen 
Hochschulabschlüsse international weiter entwertet, sondern es nimmt 
auch ein Kernanliegen der Universität selbst Schaden, die Achtung vor
der wissenschaftlichen Leistung", betonte der 
DPhV-Verbandsvorsitzende.
Bei Staatsexamensprüfungen (noch) differenzierte Bewertungen
Allerdings wies Meidinger darauf hin, dass nicht jede deutsche 
Universität dieser Bestnoteninflation in gleicher Weise erlegen sei. 
Auch hätten sich die Staatsexamensprüfungen in Jura, Medizin und den 
Lehrämtern diesem Trend bisher weitgehend entziehen können. Er 
befürchte aber angesichts der anstehenden Umstellung von 
Staatsprüfungen auf Bachelor und Master und damit auf 
universitätseigene Prüfungen, dass auch hier der Trend zur 
"generellen Eins" gehen könne.
Vielfältiges Ursachenbündel - Leistungsstärkere werden zu den
   Verlierern zählen!
Über die genauen Ursachen dieses Verfalls der Notenmaßstäbe gebe 
es bislang nur Vermutungen, so der DPhV-Vorsitzende. Neben der 
Tatsache, dass aufgrund der personellen Überlastung der Universitäten
vielfach Abschlussprüfungen lediglich pauschal "abgezeichnet" würden,
verhindere an manchen Universitäten auch die persönliche Vertrautheit
von Professoren und Diplomanden ein Ausschöpfen der Notenskala. 
Meidinger wies zudem darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen 
der Beurteilung von Lehrveranstaltungen durch Studenten und der 
Bestnoteninflation gebe. Er sagte wörtlich: "Der Eindruck, dass es 
hier häufig zu einem internen Arrangement nach der Devise 'Keiner tut
dem anderen weh'  kommt, ist nicht von der Hand zu weisen." Auch wenn
sich Studenten über durchgängige Spitzenexamensnoten natürlich nicht 
beschweren dürften, werden die Einserdiplomanden nach Ansicht des 
DPhV-Chefs mittel- und langfristig zu den Verlierern zählen: "Der 
zunehmende Verzicht auf Leistungsdifferenzierungen ist nicht nur 
sachlich unhaltbar, er ist letztlich auch ungerecht und 
diskriminierend. Wenn nämlich bei den meisten Hochschulabsolventen 
eine Eins auf dem Abschlusszeugnis steht, werden die künftigen 
Arbeitgeber und Abnehmer in der Wirtschaft und beim Staat stärker auf
andere Einstellungskriterien setzen, wie z.B. Herkunft, Geschlecht 
oder Beziehungen, da aus den Noten nicht mehr hervorgeht, was 
wirklich geleistet wurde. Das benachteiligt vor allem die 
Leistungsstärkeren und steht den deutschen Universitäten, die sich 
auf den Weg zur internationalen Spitze gemacht haben, schlecht zu 
Gesicht."
Vorschläge zur Wiedergewinnung von Leistungsmaßstäben
Der Deutsche Philologenverband fordert deshalb die 
Hochschulrektorenkonferenz und die deutschen Universitäten zu einer 
ganzen Reihe von Gegensteuerungsmaßnahmen auf:
1. Mehr Transparenz bei Hochschulprüfungen durch Veröffentlichung 
von Durchschnittsnoten und einen Vermerk auf dem Abschlusszeugnis, ob
der Absolvent zu den besten 15 oder 30 Prozent des Prüfungsjahrgangs 
gehörte;
2. Bewusste Ausschöpfung des gesamten Notenspektrums, gefördert 
etwa durch die Vorschrift, dass maximal 15 Prozent der Arbeiten die 
Bestnote erhalten dürfen;
3. Vorrang von schriftlichen vor oft individuell abgesprochenen 
mündlichen Prüfungen;
4. Bei Kollegialprüfungen durchgängig "verdeckte Zweitprüfungen", 
d.h. ohne Kenntnis der Notenvergabe des Erstprüfers;
5. Universitätsinterne und bundesweite Verständigung der 
Fakultäten auf weitgehend einheitliche Prüfungs- und 
Leistungsstandards;
6. Stichprobenartige Überprüfung von Examensarbeiten durch 
evaluierende Institutionen mit Rückmeldung an Prüfer und 
Veröffentlichung der Auffälligkeiten.
Meidinger äußerte die Hoffnung, dass die in der Folge des 
Bolognaprozesses beschlossene Einführung des ECTS (European Credit 
Transfer System) eine wirksame Standardisierung von 
Prüfungsleistungen fördern und forcieren kann. Das ECTS sieht unter 
anderem die Kontingentierung von Noten vor. Allerdings, so der 
DPhV-Vorsitzende, werde aus vielen deutschen Universitäten berichtet,
dass zahlreiche Professoren die Einführung des ECTS bislang ungerührt
boykottierten.

Kontakt:

DPhV - Deutscher Philologenverband
Eva Hertzfeldt
Pressesprecherin
Telefon: 030 - 40 81 67 89
Mobil: 0172 - 305 08 67
EMail: presse@dphv.de

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