Aus Protest erwächst Widerstand
"Wer an die Wand gedrückt wird, wird unberechenbar"
Ärztedemonstration am 22. September 2006 in Berlin
Erkrath (ots)
Die Gesundheitsreform wird nach Ansicht der Freien Ärzteschaft e.V. (FÄ) zehntausende Praxen in den wirtschaftlichen Ruin treiben. FÄ-Präsident Martin Grauduszus warnt im Vorfeld der zentralen Ärztedemonstration, die am 22. September 2006 in Berlin stattfindet: "Wer an die Wand gedrückt wird, wird unberechenbar."
Praxispleiten sind unausweichlich, wenn die Privathonorare - wie geplant - auf das Niveau der gesetzlichen Kassen abgesenkt würden. "Damit gehen wir platt, von einer Minute auf die nächste", sagt Grauduszus. "Wir verlieren unser Einkommen und unsere Existenz, was schlimm genug ist, aber die Patienten verlieren eventuell ihr Leben", sagt der niedergelassene Allgemeinmediziner. Die Politik schaffe mit ihrer Aushungerung der ambulanten Versorgung den Übergang in die Staatsmedizin, die vor allem durch Mangel gekennzeichnet sein wird. Von den mehr als 500.00 Mitarbeitern, die in deutschen Praxen beschäftigt sind, werde zudem eine große Zahl beim Arbeitsamt landen.
Die Freie Ärzteschaft befürchtet, dass mit der geplanten Gesundheitsreform eine in der Bundesrepublik nie gesehene Vernichtung von freiberuflichen Betrieben stattfindet, aber auch vieler Kliniken, die in die Zahlungsunfähigkeit getrieben werden, damit sie übernahmereif sind. Grauduszus sieht hier das beabsichtigte Ziel von Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Dadurch können private Großinvestoren unser Gesundheitswesen übernehmen."
Hoffnungen auf eine Kursänderung, quasi in letzter Minute, macht sich die Freie Ärzteschaft nicht mehr. In den Koalitionsparteien und im Staatsapparat gebe es keine alternativen Konzepte, so Grauduszus. Die Ärzteschaft werde gleichwohl nicht aufgeben, sie organisiert flächendeckende Praxisschließungen, Massendemonstrationen und die Rückgabe der Kassenzulassung auf breiter Front, um klarzumachen, dass niedergelassene Mediziner den vorgezeichneten Weg in den Ruin nicht mitgehen werden. Aus dem "2. Ärztetag der Basis" in Köln, zu dem die Freie Ärzteschaft am 11. November 2006 einlädt, soll aus der Protest- eine Widerstandsbewegung erwachsen.
Grauduszus: "Wir müssen uns unseren Platz im Gesundheitswesen erzwingen". Für freiberufliche Praxen heißt das, sich in Zukunft dem freien Markt zu stellen und auf das Sachleistungsprinzip zu verzichten. Nach Ansicht der Freien Ärzteschaft bleibt nur ein System der Direktabrechnung mit dem Patienten und Erstattung durch eine Versicherung. "Wenn die Kostenerstattung mit Direktabrechnung nicht als Regelfall ins das Sozialgesetzbuch V aufgenommen wird, werden wir langfristig nur noch als Privatärzte überleben". Auch Kassenpatienten werden dann in freien Praxen auf Rechnung behandelt. "Der Staat", so Martin Grauduszus, " lässt uns keine andere Wahl".
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