Neue OZ: Kommentar zu Literatur
Verlag
Suhrkamp
Osnabrück (ots)
Wer hat die schärfste Zunge?
Man glaubt es Marcel Reich-Ranicki gern, dass er in seinem Alter Kräche scheut. Doch zu solch heftigen Auseinandersetzungen gehören mindestens zwei. Der frühere "Literaturpapst" war noch nie schlecht im Austeilen. Wo er urteilte, da wuchs bisweilen kein Gras(s) mehr, wie im Fall von Günter Grass und vielen anderen. Das Problem nur: Seinen rollenden und donnernden Verdammungen stand stets eine mimosenhafte eigene Empfindlichkeit gegenüber. Einstecken, das fiel MRR auffallend schwer. Kränkungen wurden dem Verursacher ausdauernd nachgetragen, wie man nicht zuletzt seiner Biografie entnehmen kann.
Nun mag ja das Berkéwicz-Bashing seit geraumer Zeit angesagt sein, nicht ohne Gründe. Aber sie allein wird in diesem Fall wohl kaum die Krachamsel gespielt haben. Vielleicht besaß ihr von MRR jetzt so gelobter Gatte Unseld einfach das diplomatischere Händchen im Umgang mit dem Brausekopf mit der scharfen Zunge. Sei's, wie es wolle. Klug zeigt sich der Literaturkritiker allerdings darin, nicht im Zorn ganz vom immer noch guten Haus Suhrkamp zu lassen.
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