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Neue OZ: Kommentar zu Lyrik

Osnabrück (ots)

Schön dekadent
Wir sind dein Flügel, o Zeit, doch wir nicht die tragende Klaue!",
schrieb schon Dichter Hugo von Hofmannsthal über den Zusammenhang von
Dichtung und Gegenwart. Die Lyrik ist dekadent. Seit Jahr und Tag 
steht im Gedicht die Ästhetik im Mittelpunkt - auch wenn es klagend 
ist oder auf politische Missstände hinweist: Das Gedicht ist 
anmaßend, verschwenderisch, von wirtschaftlichem Dünkel befreit. Und 
es löst auf, zertrümmert, um Neues entstehen zu lassen. Das Gedicht 
ist die Anti-Form zum Zeitgeist - zu dichten bedeutet, ein Statement 
abzugeben gegen Effizienz und Profit. Es ist ein Plädoyer für die 
Schönheit.
Vielleicht sollte man in Schulen täglich ein Gedicht lesen - im 
Gegensatz zum unerträglichen Auswendiglernen klassischer Balladen. 
Bei diesem systemischen Exorzismus des Interesses schon in 
Jugendjahren ist es kein Wunder, dass Gedichte so nur noch ein 
Liebhaberpublikum finden. Trotzdem: Die Lyrik braucht sich nicht zu 
fürchten, weil sie anders ist. Es ist dem Gedicht sogar noch mehr 
Dekadenz zu wünschen.

Pressekontakt:

Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: 0541/310 207

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