Neue OZ: Kommentar zu Literatur
Osnabrück (ots)
Wir bekommen Kleist zurück
Kulturjubiläen sind Bücherereignisse. Unausweichlich. Was angesichts überflüssiger, weil erkennbar für den Markt produzierter Schnellstbücher zuweilen als Schicksal klaglos hinzunehmen ist, verkehrt sich nun zum Glücksfall. Im Kleist-Jahr gibt es nicht nur neue Bücher die Menge, es gibt vor allem neue Bücher von Gewicht.
Damit sind nicht schiere Seitenumfänge gemeint, sondern vor allem Veröffentlichungen, die uns neue Zugänge zu einem Dichter bieten, der bekannt zu sein schien. Pathologisches Genie, chauvinistischer Preußenverherrlicher, lebensunfähiger Bohemien, tragischer Selbstmörder, in der Rumpelkammer einer Literatur- als Skandal- und Sittengeschichte gab es eine reiche Auswahl an Charaktermasken, eine grotesker als die andere.
Im Jubiläumsjahr geschieht, was uns freuen muss: Wir bekommen Kleist zurück. Den puren Kleist. Endlich. Und wir erkennen in dem Klassiker mit einem Mal einen Zeitgenossen. Denn Kleist hat sich, anders als Goethe, nie herausgehalten. Er besaß wohl auch nicht das Talent, sein Leben zum Kunstwerk zu modeln. Kleist hat nicht nur in Brüchen gelebt, er hat die Brüche selbst gelebt. Das lernen wir nun neu mit den Büchern zum Kleist-Jahr.
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