Neue OZ: Kommentar zu Tunesien
Prozesse
Osnabrück (ots)
Ein Tages-Gericht ohne Folgen
Kurzer Prozess, harte Strafen, und doch ist vorerst nur wenig gewonnen. Denn das Tages-Gericht über Tunesiens früheren Diktator Ben Ali und seine Frau Leila spiegelt die missliche Lage in den Ländern der arabischen Revolution: Der Richterspruch ist zwar ein Signal für den Aufbruch. Ein Zeichen für die Demokratisierung eines Landes ist damit allerdings keineswegs verbunden. Das Urteil ist Ausdruck von Halbherzigkeit. Das tunesische Volk mag Genugtuung empfinden, weil diejenigen verurteilt wurden, die auf Kosten der Bürger Drogen, Geld und Schmuck gehortet haben. Zugleich aber, welch bittere Ironie, macht sich Ernüchterung breit: Die Strafe wird die Bestraften vermutlich nie treffen.
Schlimmer noch: In seinem kuscheligen Exil in Saudi-Arabien verhöhnt Ben Ali die Opfer von einst, indem er Waffen und andere Reichtümer als Geschenke ausländischer Würdenträger ausweist. Das wirft nicht nur ein trübes Licht auf jene Staatenlenker, die Ben Ali einst hofiert haben, sondern auch auf diejenigen, die mit den Saudis als Ben-Ali-Schutzmacht lukrative Geschäfte machen. Das Hauruckverfahren gegen den Ex-Diktator birgt die Gefahr, dass eine Aufarbeitung der Geschichte verfehlt wird. Die Erfahrung lehrt, dass es nicht binnen eines Tages gelingt, Angst und Misstrauen in der Bevölkerung abzubauen. Viel Zeit bleibt Tunesien nicht. Bereits im Oktober sind die Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung geplant.
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