Neue OZ: Kommentar zu Neujahrspredigten
Kirchen
Osnabrück (ots)
Gemeinwesen in Gefahr
Die Botschaft hört man wohl - allein es fehlt der Glaube. Die Appelle der Kirchen an die Jugend als Baumeister des Friedens, der Ruf nach Freiheit mit Verantwortung und sozialem Zusammenhalt sind zwar allzu berechtigt. Ebenso wie die Warnung vor der Illusion grenzenlosen Wachstums und dem braunen Mob. Doch zu sehr lauert die Gefahr, dass die Verbalakrobatik der Kirchenoberen mit Worthülsen nichts weiter als schöne Rhetorik bleibt.
Das hat auch damit zu tun, dass Kirche dramatisch an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Ursachen sind nicht allein die Missbrauchsfälle, sondern auch die fortschreitende Entfremdung von den Menschen und ihren Sorgen. Hunderttausende Kirchenaustritte in Deutschland in den vergangenen Jahren sprechen Bände. Nicht eine Entweltlichung der Kirche, wie von Kardinal Joachim Meisner verlangt, ist notwendig, sondern das Gegenteil.
Das wäre ein großer Schritt, um in Zeiten der Krisen eine wichtige Rolle wahrzunehmen: durch Mahnen, Mutmachen, Trösten. Angesichts einer sich in Egoismen auflösenden Gesellschaft ist das in den Neujahrspredigten beschworene zukunftsfähige Gemeinwesen in höchster Gefahr. Denn viele Menschen kommen in einem von Wettbewerb, Quartalszahlen und interner Konkurrenz dominierten Alltag nicht mehr klar. Wer aber das Schwache, Kranke und Alte verbannt, verliert Frieden und Gerechtigkeit.
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