Neue OZ: Kommentar zu Pinar Selek
Osnabrück (ots)
Letztes Aufbäumen
Das skandalöse Urteil gegen die türkische Soziologin Pinar Selek geht nicht in erster Linie auf das Konto der AKP-Regierung unter Ministerpräsident Tayyip Erdogan: Denn die juristische Verfolgung der Menschenrechtlerin hat bereits 1998 begonnen. Die kemalistisch, nationalistisch geprägte Justiz in der Türkei machte systematisch Jagd auf linke Intellektuelle.
Auch Erdogan war den Kemalisten schon damals ein Dorn im Auge. Sie sahen durch die Wohlfahrtspartei, der er angehörte, das ihnen heilige Prinzip des Laizismus gefährdet. So wurde Erdogan vom Staatssicherheitsgericht zu zehn Monaten Gefängnis und einem Politikverbot verurteilt.
Alles andere als eine Hochburg der AKP-Anhänger ist auch das Oberste Gericht in Ankara, das die drei Freisprüche für Selek immer wieder einkassierte. Die dortigen Richter hatten noch 2010 versucht, die AKP verbieten zu lassen. Inzwischen ist aber auch Erdogan erfolgreich darum bemüht, die Kemalisten in den Schlüsselpositionen der Justiz zu ersetzen.
Vor diesem Hintergrund ist das harte Urteil gegen Selek wohl vor allem das letzte Aufbäumen einer kemalistisch geprägten Justiz gegen den nun endgültig drohenden Machtverlust.
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