Neue OZ: Kommentar zu Kunst
Kriminalität
Russland
Osnabrück (ots)
Tragödie ohne Ende
Der russische Konstruktivismus ist tot. Das ist die eigentliche, die schreckliche Nachricht, die sich mit dem neuen Kunstfälscherskandal verbindet. Denn nun kursieren Hunderte gefälschter Kunstwerke auf dem Markt. Womöglich muss auch manches heute noch bestaunte Museumsexponat demnächst als Fälschung abgeschrieben werden. Die blanke Zahl der Fälschungen sorgt dafür, dass das Verhältnis von echten zu falschen Bildern vollends aus dem Lot kippt. Bei so vielen unechten Werken kann kein Experte mehr den Überblick haben. Eine ganze Kunstepoche steht ab jetzt unter Generalverdacht.
Die Folge: Kunsthändler werden von Bildern des Konstruktivismus die Finger lassen, Kuratoren um diese zentrale Bewegung der Moderne einen großen Bogen machen. Denn von nun an ist jeder Bilderkauf, jedes Ausstellungsvorhaben aus diesem Bereich mit dem stillen Vorwurf der Unechtheit belegt. Das trifft ausgerechnet einen Stil, der wie kaum ein zweiter des 20. Jahrhunderts für den Traum der Künstler steht, mit ihren Bildern eine ganz neue Zeit kreieren zu helfen. Der Traum der Avantgarde verramscht: Dieser Schaden geht nicht nur in die Millionen, er trifft auch die ideelle Substanz der Kunst. Und das ist eine Tragödie ohne Ende.
Stefan Lüddemann
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