Neue OZ: Kommentar zu Norbert Lammert
Osnabrück (ots)
Nicht jeder Fall ist eindeutig
Hat da jemand abgeschrieben, manipuliert, getäuscht? Nicht bei jeder Doktorarbeit lässt sich diese Frage schnell und unmissverständlich beantworten. Nur selten ist die Sach- und Rechtslage so eindeutig wie bei den Dissertationen des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg und der Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin. Aus triftigem Grund wurde beiden der akademische Titel aberkannt: Sie haben lange Passagen aus fremden Texten übernommen, ohne dies kenntlich zu machen. Ihr dreister Umgang mit geistigem Eigentum widersprach der guten wissenschaftlichen Praxis.
Aber bei der früheren Ministerin Annette Schavan dauert die juristische Klärung noch an; ihr Fall ist komplizierter, der Spielraum für Interpretation erheblich größer.
Ob die anonymen, jetzt bekannt gewordenen Plagiatsvorwürfe gegen Bundestagspräsident Norbert Lammert zutreffen, wird sich nicht auf die Schnelle klären lassen - und schon gar nicht in den wenigen Wochen vor der Bundestagswahl. Daher verhält sich die Opposition anständig: SPD, Grüne und Linke mahnen zur Zurückhaltung.
Lammert selbst macht ebenfalls das einzig Richtige: Er lässt die Vorwürfe von der Universität Bochum prüfen. Und er stellt seine rund 40 Jahre alte Dissertation ins Netz. So kann sich jeder ein Bild machen. Mehr ist momentan nicht drin. Für eine Diskussion über die politische Zukunft des Bundestagspräsidenten ist es viel zu früh.
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