Neue OZ: Kommentar zu Parteien
SPD
Osnabrück (ots)
Gewiefter Gabriel
Dompteur, Seelendoktor, Einpeitscher, Vordenker und Stratege, Sigmar Gabriel hat auf dem Leipziger SPD-Bundesparteitag alle seine Talente ausgespielt. Mit einer nachdenklichen und staatstragenden Grundsatzrede hat er zwar keine Beifallsstürme ausgelöst, aber den Genossen Halt gegeben und zugleich seine Position gefestigt. Der bisher mal Sprunghafte, mal Zaudernde ist zu einer Führungsfigur gereift, die für die Wahl 2017 bei den Genossen Hoffnungen weckt. Wer so auftritt, kann Kanzler.
Und Gabriel kneift nicht. Der gescheiterte Kanzlerkandidat Steinbrück hätte einen idealen Sündenbock für das Wahldesaster vom September abgegeben. Im Kollektiv warfen sich die Spitzengenossen nun in den Staub, jetzt wollen sie es beide gewesen sein. Demut statt faule Ausreden: So etwas erwartet die Basis. Nach dem Vorbild von Übervater Willy Brandt, dessen Zitate wie ein Feuerwerk auf die Delegierten niedergingen, machte Gabriel den hadernden Genossen Mut, auch Mut zur Macht. Er beschwor die neue soziale Mitte, als deren Repräsentant er auch sozial handelnde Unternehmer sieht. Und er eröffnete neue Perspektiven, indem er dem Liberalismus in der SPD eine neue Heimat geben will. Die Sozialdemokraten müssten mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn sie diesem Spitzenmann beim bevorstehenden Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag mit der Union die Zustimmung verweigerten.
Beate Tenfelde
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