Neue OZ: Interview mit Oliver Janz, Historiker
Osnabrück (ots)
Historiker Oliver Janz fordert in Europa neues Gedenken an den Ersten Weltkrieg
"Die Frage der Schuld führt eher in die entgegengesetzte Richtung"
Berlin. Der Berliner Historiker Oliver Janz hat im Hinblick auf den Ersten Weltkrieg eine neue Gedenkkultur gefordert. Dazu gehöre vor allem eine gemeinsame Erinnerung der Europäer, sagte Janz in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag). "Diese Form der Erinnerung basiert auf Empathie, auf dem Mitgefühl für die Leiden anderer. Das funktioniert unabhängig von der nationalen Zugehörigkeit", sagte Janz. Damit sei eine "transnationale Erinnerung" möglich, sagte der Historiker und relativierte in diesem Kontext die Frage nach der Schuld am Ausbruch des Krieges. "Die Frage der Schuld führt eher in die entgegengesetzte Richtung", so der Experte.
Nach der Einschätzung von Janz ist die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Deutschland und Frankreich noch sehr stark national und damit unterschiedlich strukturiert. "Für Frankreich ist der Erste Weltkrieg deshalb so wichtig, weil er ein klarer Sieg und ein gerechter Verteidigungskrieg war", sagte Janz. In Deutschland dagegen sei der Erste Weltkrieg in der Erinnerung durch den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust klar überlagert. Das nationale Narrativ der Deutschen sei ganz auf diese Inhalte des Gedächtnisses ausgerichtet. "Diese Erzählung läuft auf das Eingeständnis größter Verbrechen, aber auch auf weitgehende Läuterung hinaus. Deutschland ist danach sozusagen Erinnerungsweltmeister geworden", so Janz.
Der Erste Weltkrieg sollte allerdings besser in die deutsche Erinnerungskultur integriert werden, forderte Janz. Erinnern sei immer eine "Gestaltungsaufgabe". Die kollektive Erinnerung müsse in ihren zentralen Punkten auf Stimmigkeit hin angelegt werden. Gesellschaften, die in diesen Erinnerungsinhalten im Konflikt miteinander lägen, drohe "im schlimmsten Fall (...) eine Art symbolischer Bürgerkrieg".
Nach der Einschätzung von Janz bietet die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg die Möglichkeit, Frieden wieder neu schätzen zu lernen. "Der Vorgang zeigt, dass Frieden in Europa nicht einfach gegeben ist, sondern immer wieder erarbeitet werden muss". Oliver Janz abschließend: "Auch globale Vernetzung, welcher Art auch immer, ist kein Allheilmittel gegen Krieg".
Janz ist Professor für Neuere Geschichte am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin und hat mit dem Buch "14 - Der große Krieg" eine neue Gesamtdarstellung des Ersten Weltkrieges vorgelegt. Er leitet auch die digitale Online-Enzyklopädie "1914 - 1918. International Encyclopedia of the First World War".
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