NOZ: Gespräch mit Gerhard Schröder, Altkanzler
Osnabrück (ots)
Gerhard Schröder für 9. November als Feiertag
Früherer Kanzler hält Datum für besser geeignet als den 3. Oktober - Aufruf zur Verständigung mit Russland aus Anlass des Mauerfalls
Osnabrück.- Altkanzler Gerhard Schröder hat den 9. November als besseres Datum für einen nationalen Feiertag bezeichnet als den 3. Oktober. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag) sagte Schröder, dieser Tag stehe "wie kein anderer symbolhaft für die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts". An diesem Datum habe es Tage des Aufbruchs gegeben wie die Ausrufung der Republik 1919 und den Fall der Berliner Mauer 1989; aber auch einen Tag der Scham, "an dem 1938 mit den nationalsozialistischen Pogromen gegen die deutschen Juden eine systematische Verfolgung begann, die im Holocaust mündete."
Schröder betonte, am 25. Jahrestag des Mauerfalls gelte es an diesem Wochenende zuerst den Menschen zu danken, "die mit ihrem Mut und ihrer Unerschrockenheit auf den Straßen zum Beispiel in Berlin, Leipzig oder Rostock die Mauer zum Einsturz brachten". Ebenso gelte dies für die Menschen in Osteuropa, die - beginnend in den 80er Jahren mit der Solidarnosz-Bewegung in Polen - jahrzehntelange innere und äußere Unterdrückung abschütteln konnten. "Die Bedeutung des 9. November 1989 ist nur im europäischen Kontext zu verstehen", sagte der frühere SPD-Vorsitzende. "Daraus erwächst auch eine Verantwortung für eine Perspektive auf Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa."
Schröder bedauerte es vor diesem Hintergrund, dass es nicht gelungen sei, eine europäische Integration unter Beteiligung Russlands zu erreichen. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er, "mit dem Beitritt der osteuropäischen Staaten zur Europäischen Union während meiner Amtszeit ist eine Vision Wirklichkeit geworden: Die Spaltung, unter der unser Kontinent im Kalten Krieg gelitten hatte, wurde überwunden." Den Rahmen für diesen Prozess hätten die Verankerung im transatlantischen Bündnis, die von Willy Brandt eingeleitete Politik der Entspannung, die bis heute wirke, aber ebenso ein auf Zusammenarbeit basierendes europäisch-russisches Verhältnis gesetzt. "Jedoch ist es nicht gelungen, eine Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die Frieden auf dem ganzen europäischen Kontinent einschließlich Russlands gewährleistet", bedauerte Schröder. "Sie zu bauen, ist eine Herausforderung und Verantwortung für die heute politisch Handelnden in Europa und Russland", rief der frühere SPD-Vorsitzende zu einer Annäherung beider Seiten auf.
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Schröder zu Deutschlands Rolle in der Welt: Im Zweifel weiterhin "Nein" sagen
Altkanzler sieht Wende vor 25 Jahren als Zäsur auch in der Außen- und Sicherheitspolitik
Osnabrück.- In der Debatte um eine Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik hat Altkanzler Gerhard Schröder dazu aufgerufen, sich internationalen Einsätzen im Zweifel auch künftig zu verweigern. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der frühere SPD-Vorsitzende, Deutschland betreibe seit langem eine Politik, die seinem gewonnenen Gewicht in der Welt entspreche. Es nehme seine Rolle in der internationalen Politik verantwortungsbewusst wahr. Damit verbinde sich aber "auch das Recht, ,Nein' zu sagen, wenn man von dem Sinn einer militärischen Intervention - wie im Irak 2003 oder in Libyen 2011 - nicht überzeugt ist".
25 Jahre nach der Wende sagte der Bundeskanzler der Jahre 1998 bis 2005, "für Deutschland bedeutete die Wiedervereinigung auch außen- und sicherheitspolitisch eine Zäsur". Zwar habe das Land damit seine staatliche Souveränität wieder gewonnen, sie aber in den ersten Jahren nach der Vereinigung noch nicht ausfüllen wollen. "Dies wurde zehn Jahre nach dem Mauerfall notwendig. Im Kosovo-Konflikt musste sich die Bundeswehr erstmals an einem Kampfeinsatz beteiligen. Und nach dem schrecklichen Terroranschlag vom 11. September 2001 in den USA übernahm Deutschland im Rahmen des Afghanistan-Einsatzes ein hohes Maß an internationaler Verantwortung", betonte Schröder. "Unser Land handelt souverän und im Bewusstsein seiner Geschichte - das ist auch eine Konsequenz aus der Erinnerung an den 9. November", schloss der Altkanzler.
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