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Caritas kritisiert BGH-Urteil und fordert neue Debatte um Sterbehilfe

Osnabrück (ots)

Neher nennt Richterspruch "problematisch" - "Wir müssen Sterben als Teil des Lebens anerkennen"

Osnabrück. Trotz des Karlsruher Richterspruchs, der das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für nichtig erklärt und das Recht auf selbstbestimmtes Sterben betont hat, geht der Streit um das hochemotionale Thema weiter. Prälat Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, fordert im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" eine intensive gesellschaftliche "Debatte um den Wert des Lebens". "Ich halte die Entscheidung des Gerichts für problematisch, weil sie das Selbstbestimmungsrecht letztlich als einziges Kriterium über Tod und Leben nennt", sagte Neher. Fraglos handele es sich beim Selbstbestimmungsrecht "um ein hohes Gut", erläuterte er. "Das setzt aber voraus, dass jeder Suizidwunsch aus einer selbstbestimmten Haltung heraus geäußert wird. Und ob das immer der Fall ist, hinterfrage ich mindestens kritisch", so der Präsident des Deutschen Caritasverbandes.

Neher argumentierte in dem Interview, ein geäußerter Sterbewunsch könne auch missverstanden werden. "Wenn jemand unter großen Schmerzen leidet oder sich in tiefer Einsamkeit befindet, frage ich mich, ob dessen Selbstbestimmung tatsächlich so leitend ist oder ob es nicht letztlich ein Ruf nach Leben, nach Zuwendung, nach Hilfe, nach Unterstützung, nach Nähe ist. Deshalb halte ich diese starke Betonung der Selbstbestimmung angesichts der Komplexität für falsch."

Es zeige aber, dass "eine Debatte darum" notwendig sei, so Neher. Neher, der seine Dissertation zum Thema Sterben und Sterbebegleitung geschrieben hat, befürchtet nach dem Urteil der Richter "eine schwerwiegende Folge": "Es erweckt den Eindruck, Selbsttötung wäre eine legitime Alternative bei schwerer Erkrankung oder Einsamkeit. Damit könnte ein Mensch in die Situation gebracht werden, in der ausgesprochen oder implizit von ihm erwartet wird: Mach deinem Leben endlich Schluss." Vor allem "der Druck auf alte und schwer kranke Menschen kann dadurch steigen, die Möglichkeit der assistierten Selbsttötung in Anspruch zu nehmen", warnte Neher.

Um die negativen Folgen abzumildern, sei es "notwendig, die Maßnahmen der Palliativversorgung zu stärken", forderte Neher. "Wir müssen Sterben als Teil des Lebens anerkennen", sagte der Caritaspräsident.

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