Krieg in der Ukraine: DIW-Chef Fratzscher warnt vor bis zu zehn Prozent Inflation
Osnabrück (ots)
Krieg in der Ukraine: DIW-Chef Fratzscher warnt vor bis zu zehn Prozent Inflation
"Nicht nur auf Energiepreise schauen" - Gezielte Hilfen für untere und mittlere Einkommensgruppen gefordert
Osnabrück. Topökonom Marcel Fratzscher warnt vor einer noch sehr viel höheren Inflation infolge des Kriegs in der Ukraine. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Wahrscheinlich wird es im laufenden Jahr Inflationsraten von deutlich über fünf Prozent geben. Im Fall einer Eskalation des Kriegs und immer neuer Sanktionen kann es sogar Richtung zehn Prozent gehen."
Die Teuerung dürfte sich nach den Worten von Fratzscher in den kommenden Wochen und Monaten noch einmal verstärken, "da noch nicht alle Preissteigerungen und höheren Kosten an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben worden sind". Die Lage sei unsicher. Aber eines sei sicher: "Wenn es zu einem Stopp der Gas- und Öllieferungen von Russland nach Europa käme, dann würde sich die Lage noch einmal dramatisch verschärfen."
Der DIW-Chef warnte zudem, man dürfe nicht nur auf die Energiepreise schauen. "Wir könnten auch wieder sehr große Probleme bei den Lieferketten bekommen, beispielsweise bei Halbleitern, denn Russland exportiert auch wichtige Rohstoffe wie seltene Erden." Das Gleiche gelte für Nahrungsmittel. Russland sei einer der großen Exporteure von Weizen und von Düngemitteln. "Wir müssen uns deshalb darauf einstellen, dass die Nahrungsmittelpreise noch einmal deutlich steigen könnten", so Fratzscher. Er fügte hinzu: "Es kann sehr, sehr hart werden für die Verbraucherinnen und Verbraucher in den kommenden Monaten.
Um Preissteigerungen abzufedern forderte der DIW-Chef Hilfen für Menschen mit mittleren oder niedrigen Einkommen unter 50.000 Euro im Jahr. "Sie sollten komplett entschädigt werden durch direkte Transfers. Sie sollten ein Energiegeld bekommen. Das wäre das Zielgenaueste", sagte Fratzscher.
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DIW-Chef Fratzscher dämpft Hoffnungen auf Zinssenkungen
"EZB muss stattdessen dafür sorgen, dass es zu keiner Finanzkrise kommt" - Rezession vorhergesagt
Osnabrück. Topökonom Marcel Fratzscher dämpft trotz der durch den Krieg in der Ukraine angeheizten Inflation Hoffnungen auf Zinsanhebungen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Fratzscher sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Wenn die EZB jetzt die Zinsen erhöhen würde, würde das nichts an den höheren Energie- und Lebensmittelpreisen ändern, und es würde auch die Lieferketten nicht absichern. Stattdessen würde der Schaden noch vergrößert, weil höhere Zinsen die Wirtschaft schwächen." Er fügte hinzu: "Weder die EZB noch eine andere Notenbank kann Herrn Putin stoppen." An diesem Donnerstag tagt der EZB-Rat, um die aktuelle Lage zu bewerten.
Fratzscher erwartet, "dass die deutsche Wirtschaft jetzt wieder in eine Rezession abgleitet". Er erläuterte, die Entwicklung der Wirtschaftsleistung sei schon im vierten Quartal des vergangenen Jahres negativ gewesen. Auch im ersten Quartal des laufenden Jahres und im zweiten Quartal dürfte die deutsche Wirtschaft nach den Worten des DIW-Chefs schrumpfen. Er warnte: "In einer solchen Situation Zinsen zu erhöhen würde bedeuten, dass die Arbeitslosigkeit steigt. Die Menschen würden doppelt gestraft. Sie würden nicht nur mehr Geld im Supermarkt und an der Zapfsäule zahlen müssen, sondern würden auch weniger Einkommen haben."
Der Ökonom forderte, statt Zinsen zu senken, müsse die EZB dafür sorgen, "dass es zu keiner Finanzkrise kommt, dass der Geldmarkt weiter funktioniert, dass Unternehmen weiterhin an Kredite kommen können, um investieren und Jobs sichern zu können". Er betonte: "Ich erwarte von der EZB, dass sie die geldpolitische Normalisierung, so wünschenswert sie auch ist, noch einmal verschiebt. Denn jetzt geht es darum, erst einmal die Wirtschaft zu stabilisieren."
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