Westfalenpost: Verantwortungslos
Hagen (ots)
Kein Ende im Bahn-Tarifstreit in Sicht Von Sven Nölting Sechseinhalb Monate nach seinem Beginn ist der farbige Tarifstreit um die Lokführergehälter um ein weiteres Kapitel reicher und ein Ende nicht Sicht. Dass der Streik nachhaltige Wirkung vor allem deshalb entfaltete, weil sich die Bahn gewissermaßen prophylaktisch selbst bestreikte, ist eine kuriose Randnotiz. Die unrühmliche Hauptrolle spielt das Chemnitzer Arbeitsgericht. Streik im Nahverkehr: ja, in Fern- und Güterverkehr: nein - Begründung: Fehlanzeige. Ein schwaches Urteil. Die Richter drücken sich vor einer Entscheidung. Wenn sie sich schon für zuständig erklären, sollten sie klar Stellung beziehen. Ihr eigentlicher Fehler aber war, dass sie sich überhaupt vor den Karren von Bahn-Chef Mehdorn spannen ließen. Die beschränkte Streikerlaubnis von Chemnitz macht deutlich, dass sich Gerichte nicht ohne Not in Tarifkonflikte einmischen sollten. Die Justiz kann und darf den Streit bei der Bahn nicht entscheiden. Aber wer kann schaffen, was schon den Vermittlern nicht gelang? Wer schützt die Bahnfahrer, auf deren Rücken der Konflikt ausgetrragen wird? Wer verhindert, dass die Tarifautomonie und der Betriebsfrieden bei der Bahn weiter Schaden nehmen? Bahnchef Mehdorn und GDL-Chef Schell, das hat sich gezeigt, sind zu einer Einigung offenbar nicht fähig. Gefragt wäre vor allem der Eigentümer der Bahn: der Staat, also die Bundesregierung. Doch der zuständige Minister Tiefensee, der Mehdorn seinen Börsenwunsch erfüllen will, ließ gestern wissen, er könne und wolle den Tarifpartnern "die Verantwortung nicht nehmen". Also Streiks bis Weihnachten? Das ist verantwortungslos.
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