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Westfalenpost: Sensation, Schock

Hagen (ots)

Kochs Debakel hat für Berlin Folgen
Von Bodo Zapp
Sie hatte keine Chance, aber sie hat sie genutzt! Andrea Ypsilanti 
ist die große Siegerin dieses Wahlsonntags. Als Mitgewinner darf sich
der SPD-Vorsitzende Kurt Beck fühlen, der sich in seinem Linksschwenk
bestätigt fühlt. Dass die Frage nach dem Verlierer mit Roland Koch so
sensationell eindeutig beantwortet wurde, hätte vor Wochen niemand 
vorausgesagt. Der Stimmen-Absturz für die hessische CDU ist eine ganz
persönliche Abstrafung für den Ministerpräsidenten, vor allem durch 
jüngere Wähler. Das gilt auch für den Fall, dass es am Ende doch für 
eine hauchdünne CDU/FDP-Mehrheit in Hessen reicht. Bei 
Redaktionsschluss dieser frühen Ausgabe schien noch fast alles 
möglich, außer einem Glücksgefühl bei Roland Koch.
 Gewonnen hat bei dieser Landtagswahl das Vertrauen in die Mündigkeit
der Wähler. Koch hat ein Glaubwürdigkeitsproblem und mit seiner 
Kampagne in Sachen Jugendkriminalität überzogen, dafür erhielt er die
Quittung. Christian Wulff ist und bleibt Ministerpräsident in 
Niedersachen, weil ihm die Menschen vertrauen. Warum sollten sie auch
einen Wechsel herbeiführen, wenn nicht einmal SPD-Spitzenkandidat 
Wolfgang Jüttner seinem Rivalen entscheidende Fehler vorwerfen 
konnte.
 Wulff, der Ausgleichende, der Nicht-Scharfmacher, kann eigentlich 
sogar zufrieden sein, dass es nicht zu der vorher denkbaren absoluten
Mehrheit gereicht hat. Der Partner FDP ist ein gutes Argument, manche
Wünsche aus den eigenen Reihen abzuwiegeln.
 Was die Hessenwahl für Berlin bedeutet, ist ein großes Thema der 
nächsten Tage. Ein Triumph ausgerechnet für Andrea Ypsilanti, diesen 
ständigen Stachel im Agenda-Fleisch der Schröder-Regierung - da wird 
manchem Genossen, heimlich, nicht nur zum Jubeln zumute sein. Ob ihre
Politik des unbedingten Eintretens für Mindestlöhne und des absoluten
Vorrangs alternativer Energie dem Industrieland Hessen gut tut, wäre 
erst zu beweisen. Dass die SPD-Anhänger der Clement-Linie vorerst auf
Tauchstation gehen, ist zu erwarten.
 Und die Kanzlerin? Die hat auf Koch gesetzt, auch nach dessen 
Wahlkampf-Fixierung gegen kriminelle Ausländer, und wird Probleme 
haben, positive Aspekte der Wahl hervorzuheben. Die Mehrheit, soviel 
kann ohne Auswertung aller Wahlanalysen festgestellt werden, ist in 
Deutschland mit dem Pflegen extremer Ränder nicht zu gewinnen. Bis 
zur Bundestagswahl 2009 könnte die Devise lauten: Die Mitte halten, 
nicht viel bewegen. Christian Wulff hat es vorgemacht. Und so 
nebenbei einen Rivalen weniger für (nicht anstehende) 
Nach-Merkel-Überlegungen in der Union.
  Dass mit den Linken auch in westdeutschen Flächenländern zu rechnen
ist, zählt nicht zu den Überraschungen dieser Wahl. Die erneute 
Fehlprognose der Demoskopen, die bis zum Schluss einen minimalen 
Koch-Vorsprung gesehen hatten, gehört zu den peinlichen Randaspekten.
Gespannt darf man sein, ob Bündnis-Aussagen von gestern heute noch 
gelten.

Pressekontakt:

Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160

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