Westfalenpost: Eine Vertrauensfrage
Hagen (ots)
Die Bürger und das BKA-Gesetz Von Winfried Dolderer Das Jubiläum ist im Mai ganz unbemerkt verstrichen: Vor vier Jahrzehnten hat eine Große Koalition die Notstandsgesetze beschlossen, um Vorsorge zu treffen gegen einen Fall, der nie eingetreten ist, einen Angriff des Warschauer Pakts. Sie hat damit eine Front von Bedenkenträgern gegen sich aufgebracht, die nicht weniger als den Untergang der Demokratie und ein autoritäres Regime befürchteten. Die Besorgnis war, wie man weiß, unbegründet. Gestern hat eine andere Große Koalition den Kabinettsentwurf des neuen BKA-Gesetzes verabschiedet, erklärtermaßen zur Vorsorge gegen einen Fall, der sich zwar in Deutschland noch nicht, dafür aber unter anderem in New York, Madrid, London bereits ereignet hat, einen massiven Anschlag islamischer Terroristen. Zwar wiederholt sich Geschichte nicht. Niemand warnt heute vor einer autoritären Machtergreifung. Die Konstellation freilich ist ähnlich. Auf der einen Seite das Argument der Sicherheit. Auf der anderen die Phalanx der Warner, die von übermäßiger Sorge um die Sicherheit die Freiheit bedroht wähnen. Es geht da um eine Frage des Vertrauens: Ist man als Bürger bereit, sich darauf zu verlassen, dass der Rechtsstaat funktioniert? Also von den Möglichkeiten, die ihm zu Gebote stehen, um Sicherheit zu gewährleisten, keinen Gebrauch zum Schaden Unbescholtener macht? In einer digital vernetzten Welt reichen die technischen Möglichkeiten, einen "Überwachungsstaat" zu organisieren, unendlich viel weiter als in den schlimmsten Alpträumen der Streiter gegen die Notstandsgesetze. Sie sind übrigens, wie der Telekom-Skandal zeigt, in den Händen Privater wohl mehr zu fürchten als in denen des Staates. Dessen Vertreter reklamieren für sich Vertrauen und Vernunft der Bürger: Niemand hat die Absicht, alles zu tun, was die Technik gestattet. Ein gewisses Grundmisstrauen gegen die Staatsgewalt ist andererseits ein Ferment der Demokratie. Die Besorgnis mag heute so unbegründet sein, wie sie vor 40 Jahren war, sie zu formulieren, ist legitim und notwendig.
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