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Westfalenpost: Zu dicht am Strafraum EU-Durchwursteln ist Königsdisziplin

Hagen (ots)

Von Knut Pries
Eines muss man der EU lassen: Beim Durchwursteln ist sie eine 
Klasse für sich. Auf die große Vertragskrise nach dem 
fehlgeschlagenen irischen Referendum antworten die Staats- und 
Regierungschefs mit Kleingedrucktem. Das Schwert, mit dem man dicke 
Knoten zerschlägt, blieb wieder mal stecken. Statt dessen ist 
hochelastisches Formulierungsgummi im Angebot, nach dem Motto: Sieht 
nicht toll aus, hält aber den Lissabon-Vertrag noch gerade zusammen.
 Wenn man Angela Merkel hört, ist das Wursteln geradezu die 
Königsdisziplin europäischer Politik. Es ist wie nach einem 
vergurkten Spiel der Nationalmannschaft. Da rauft man sich die Haare,
geht in sich und überprüft alles gründlich. Aber dann kommt das 
nächste Spiel, und die Frage stellt sich schlicht und konkret: Wen 
wechseln wir aus? Also: Voran kommt man nicht mit Gezeter und 
Träumereien, sondern nur, wenn man in der Lage ist, den nächsten 
Schritt zu tun.
 Dieser staubtrockene Pragmatismus hat durchaus einiges für sich. Im 
vorliegenden Fall ist er tatsächlich der einzige plausible Weg, eine 
verzweifelt schlechte EU-Geschäftsordnung ("Nizza") durch eine 
erkennbar bessere ("Lissabon") zu ersetzen. Auf der Strecke bleibt 
freilich ein Ansatz, wie die Veranstaltung Europa wieder zur 
Herzensangelegenheit derer gemacht werden kann, um die es geht. Nicht
unbedingt als Leidenschaft, wohl aber als grundsätzliches 
Einverständnis. Auch in der Bundesrepublik sind die Menschen ihrem 
Staatswesen und seinen Lenkern nicht in reiner Liebe zugetan. Gäbe 
man ihnen die Gelegenheit, darüber abzustimmen, was sie von "der 
Politik" halten, würde man nicht mehr Zustimmung ernten als die 
irische Regierung mit ihrer Europa-Frage. Was aber natürlich nicht 
hieße, dass die Bundesbürger lieber in einem anderen Gemeinwesen 
leben würden.
 Diese selbstverständliche Billigung der Verhältnisse ist dem 
Unternehmen Europa abhanden gekommen. Es gab sie Jahrzehnte lang: für
die Überwindung alter Feindschaften nach dem Krieg, für die 
Abschaffung der Grenzen, für den freien Binnenmarkt. Sie wurde 
notleidend mit dem Projekt der gemeinsamen Währung, und sie ist 
vollends abhanden gekommen mit der so genannten Ost-Erweiterung. 
Seither ist Europa argumentativ in der Defensive - wenn es gut geht, 
eine Notwendigkeit, aber Wert oder Anliegen nur mehr für eine 
Minderheit. Der Gipfel hat einen Weg aus dem aktuellen Schlamassel 
ins Auge gefasst. Doch die EU bleibt in der Defensive. Wie es bei der
EM heißt: Sie lassen sich zu sehr an den Strafraum zurück drängen.

Pressekontakt:

Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160

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