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Westfalenpost: Weiter mit Köhler - das könnte passen Aber Gesine Schwan hat eine Chance

Hagen (ots)

Von Bodo Zapp
Köhler oder Schwan - diese Entscheidung hatten die 1224 Mitglieder
der Bundesversammlung schon vor fünf Jahren zu treffen. Doch heute 
ist die Ausgangsposition eine andere. Er ist der Bundespräsident, dem
in seiner Amtszeit keine gravierenden Fehler unterliefen, der sich 
trotzdem seiner Wiederwahl nicht sicher sein kann. Sie ist die 
Herausforderin, durchaus nicht chancenlos. Warum aber ein 
Bundespräsident abgewählt werden sollte, dessen zweite Amtszeit nach 
Umfragen von der großen Mehrheit der Deutschen gewünscht wird, ist 
schwer zu verstehen.
 Liegt es daran, dass Horst Köhler im politischen Berlin und auch in 
"seiner" Union nie so richtig als Schwergewicht anerkannt wurde? 
Liegt es an taktischen Macht-Überlegungen in der SPD, die sich mit 
einem Wechsel im höchsten Amt des Staates ein Signal für die 
Bundestagswahl erhofft? Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte und 
ist kompliziert.
Über Nacht ins Spiel
 Erst drei unserer bisherigen Bundespräsidenten traten zur Wiederwahl
an (Heuss, Lübke und von Weizsäcker), keiner hatte einen 
Gegenkandidaten. Nach Köhlers Ja zu einer zweiten Amtszeit stand 
seine Nominierung für Union und FDP außer Frage. Auch von der Spitze 
der SPD gab es zustimmende Signale. Doch quasi über Nacht kam Gesine 
Schwan ins Spiel . Ob sie sich weitgehend selbst empfohlen hat oder 
"berufen" wurde, sei mal dahingestellt. Jedenfalls hatten SPD und 
Grüne plötzlich eine Kandidatin, die rechnerisch fast so viele 
Stimmen auf sich vereinigen könnte wie der Amtsinhaber.
 Die Wahl Köhlers im ersten Wahlgang wäre trotz aller 
Kopf-an-Kopf-Hochrechnungen der Normalfall. Doch wer weiß schon, was 
in den Köpfen mancher Wahlmänner und -frauen vorgeht, die aus welchen
Gründen auch immer die ihnen zugedachte Stimmrolle nicht spielen 
wollen. Union und FDP rechnen mit Köhler-Stimmen von Freien Wählern, 
die vorwiegend aus der CSU hervorgegangen sind. Bei der SPD ist die 
Zahl glü-hender Schwan-Verehrer übersichtlich, heißt es. An 
mitreißende Zustimmung der Führung kann man sich nicht recht 
erinnern. Nur ist eine Wahl wie diese eine Rechnung mit Unbekannten. 
Eine Frau, eine neue Richtung - gewählt wird nicht nur mit dem Kopf, 
Umfragen sagen nicht alles. Es ist durchaus im Rahmen der 
Vorstellungskraft, dass die neue Staatsspitze erst feststeht, wenn 
der Deutsche (Fußball)Meister schon gefeiert wird.
Pluspunkt Beliebtheit
 Was für Köhler spricht? Er ist beliebt! Was gegen ihn sprechen 
könnte: Der Präsident sollte mehr als "nur" populär sein. Im 
Idealfall ist er der Mann für das gewichtige politische Wort ohne 
Parteinahme im Merkel- oder Steinmeier-Sinne. An große Reden oder 
nachhaltige Wegweisungen denkt man bei Köhler aber weniger als etwa 
an den Einsatz für Afrika. Er hat Ahnung von Wirtschaft, was in 
Krisenzeiten nicht gering zu achten ist, er ist ein ehrlicher, 
unabhängiger Mensch. Aber auch ein bisschen langweilig, wie vor allem
Medien-Kritiker meinen, die es gerne etwas unruhiger haben.
 Für Gesine Schwan, die nur mit den Stimmen der Linken gewinnen kann 
(kein angenehmer Gedanke für manche Genossen), spricht ihre 
unkonventionelle Art. Beharrlich setzt sie sich für die 
Gleichberechtigung der Frauen auf allen Gebieten ein. Die 
Politikwissenschaftlerin scheut nicht davor zurück, gegen den Strom 
zu schwimmen und mit der Tradition zu brechen, dass man gegen einen 
amtierenden Präsidenten keinen aktiven Wahlkampf führt. Sie ist 
erfrischend, aber auch ein bisschen anstrengend.
Mit Amtsbonus
 Eine Abwahl Köhlers wird es wohl nicht geben, das ist gut so. Bei 
ihm weiß man, was man hat. Auch wenn er in den letzten Jahren einen 
Wandel vom Finanzexperten zum Warner vor den Auswüchsen des 
Kapitalismus vollzogen hat - aber das trifft heutzutage auf viele zu.
Der Präsident hat nur die Macht des Wortes, sagt man. Die konnte er 
gestern als Redner beim Staatsakt 60 Jahre Bundesrepublik sozusagen 
als Amtsbonus für sich nutzen.
Mit Horst Köhler und Gesine Schwan stehen zwei respektable 
Persönlichkeiten zur Wahl, das ist gut für Deutschland. Die beiden 
anderen sind nur Zählkandidaten.

Pressekontakt:

Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160

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