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Westfalenpost: Glasnost in der SPD

Hagen (ots)

Parteitag der Umkehr in Dresden
Von Winfried Dolderer
Am Ende sind es 66 Delegierte gewesen, die gestern das Wort ergriffen
haben. So etwas hat es seit Menschengedenken nicht mehr gegeben auf 
einem SPD-Parteitag, eine intensive und ernsthafte Debatte dieser 
Art. Dabei ist es gesittet hergegangen, zerfleischt haben sie sich 
nicht, auch das hat man gelegentlich anders erlebt. Deutschlands 
älteste demokratische Partei versucht es wieder mit der 
innerparteilichen Demokratie, das ist die gute Nachricht dieses 
Parteitags.
 Was sich da nach den Schröder- und Müntefering-Jahren in der SPD 
abspielt, dafür kannte man vor gut zwei Jahrzehnten - wir sind ja in 
einem Jubiläumsjahr - die Begriffe Glasnost und Perestroika. Von 
vergleichbarer Dramatik sind die Umstände. Auch für die SPD geht es 
nicht mehr weiter wie bisher. Sie hat ihre größte Katastrophe in 60 
Jahren zu bewältigen, kann tiefer kaum sinken. Es bedarf schon solch 
massiven Zwangs, bevor sich Menschen und Parteien bewegen: Wer mit 
dem Rücken zur Wand steht, für den führt der einzige Ausweg nach 
vorn.
 Nach dieser Maxime hat der neue Parteichef Gabriel seine 
aufrüttelnde Antrittsrede gehalten: Du hast keine Chance, nutze sie. 
Gabriel hat all die selbstquälerischen Debatten um die Details von 
elf Jahren Regierungspolitik, die bis zu seinem Auftritt auch diesen 
Parteitag bestimmten, kurzerhand vom Tisch gewischt. Nicht sich 
Realitäten anpassen, sondern neue schaffen ist der Auftrag, den er 
der Partei zur Eroberung der "Deutungshoheit" erteilt. Wie weit das 
ein gangbarer Weg ist? Es ist immerhin eine Vision. Genau das also 
wonach eine so ratlose und verunsicherte Partei dürstet.

Pressekontakt:

Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160

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