Westfalenpost: zu Syrien
Hagen (ots)
Wie sehr der "Arabische Frühling" auch Syrien erfasst hat, zeigt die Aufhebung des Ausnahmezustandes. Präsident Baschar el Assad blieb gar nichts anderes übrig, als die Herausforderung anzunehmen - der Freiheitsdrang seines Volkes bringt auch in Damaskus eine Diktatur ins Wanken. Das Land ist schon jetzt anders als noch vor Wochen.Von Unterdrückung und Friedhofsruhe war das politische Klima in Syrien über Jahrzehnte hinweg geprägt. Die Assad-Dynastie - Vater Hafiz wie jetzt Sohn Baschar - regierten mit harter Hand, getragen von der regimetreuen Baath-Partei. Diese schüchterte über den langen Arm des Militärs alle ein, die sich ihr in den Weg hätten stellen können. Deshalb ist in Syrien mehr noch als in anderen arabischen Staaten an eine starke Opposition, die den Weg für friedlichen Wandel zur Demokratie hätte ebnen können, nicht zu denken. Syrien ist nicht Ägypten. Eine Symbolfigur vom Charisma El Baradeis fehlt dort. So unterentwickelt die syrische Zivilgesellschaft sein mag, so wenig reformierbar dürfte das derzeit herrschende Regime sein. Assad hebt den Ausnahmezustand auf und lässt Panzer gegen das Volk auffahren. Einen deutlicheren Beleg dafür, dass sein Reformwille eine Farce ist, kann es kaum geben. Kein Wunder, dass die Menschen diesem Präsidenten nicht trauen. Niemand vermag heute zu sagen, in welche Richtung sich dieser blutige Volksaufstand entwickeln wird. Es steht viel auf dem Spiel. Wie immer geht es um Rohstoffe, um Öl und sichere Handelswege. Und die Instabilität von Israels Erzfeind könnte den Nahost-Konflikt mit seinen Auswirkungen auf den nach der Atombombe trachtenden Iran weiter befeuern. Jedenfalls sieht sich Europa einmal mehr ganz direkt mit einem erneuten politischen Beben in der arabischen Welt konfrontiert. Da heißt es, besonnen zu bleiben - und mehr Weitsicht an den Tag zu legen, als es die Völkergemeinschaft in Libyen getan hat.
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