Westfalenpost: Kommentar zu Merkel/Afghanistan/Die Kanzlerin besucht Afghanistan /Im Angesicht des Zweifels/Von Winfried Dolderer
Hagen (ots)
Nichts ist gut in Afghanistan. Ein geflügeltes Wort einer Protestantin - eine Übertreibung? Neuerdings häufen sich wieder die Hiobsbotschaften, die den arg vereinfachenden Satz doch nicht ganz abwegig erscheinen lassen. Zuletzt der Amoklauf eines womöglich traumatisierten US-Soldaten. Zuvor blutige Wirren nach einer "Koranverbrennung", die unter anderem den fluchtartigen Rückzug der Bundeswehr aus einem Außenposten zur Folge hatten: Auch die Kanzlerin bekennt sich zu ihren Zweifeln. Ob der versprochene Abzugstermin 2014 einzuhalten sei, das lässt sich nach ihren Worten "noch nicht sagen". Die Deutschen halten sich im Bewusstsein nobler Absichten am Hindukusch auf. Der Einsatz der Bundeswehr ist kein Eroberungsfeldzug: Dem designierten Bundespräsidenten Gauck ist dieses Argument wichtig genug, um ihn allein deswegen nicht zu verurteilen. Die Epoche des klassischen Imperialismus ist allerdings auch lange vorbei. Freilich war schon jener Imperialismus mehr als ein nacktes Eroberungsprogramm. Immer berief er sich auch auf eine zivilisatorische Mission: Das Licht der Aufklärung in dunkle Weltecken tragen - kommt uns das bekannt vor? Vor drei Jahrzehnten waren es die Sowjets, die als Zivilisatoren blutig scheiterten. Ihr Projekt eines säkulären Systems, so wenig es mit Demokratie zu tun hatte, stand westlichen Fortschrittsbegriffen näher als die überkommene Stammesgesellschaft. Es hat aber Afghanistan erst in den Gewaltstrudel gestürzt, der bis heute nicht zur Ruhe kommen will. Die Nato-Alliierten haben es denn auch bescheidener angelegt. Es geht nicht darum, die afghanische Gesellschaft umzukrempeln. Sondern lediglich, Stabilität zu schaffen und einigen fundamentalen Menschenrechten zur Geltung zu verhelfen. Viele Afghanen, die sich Fortschritt und Freiheit wünschen, hat der Westen dabei gewiss auf seiner Seite. Sie womöglich im Stich zu lassen, ist die Gewissensfrage, die jede Abzugsdebatte belastet. Andererseits. Mehr als eine prekäre Stabilität war in dieser zerklüfteten Gesellschaft in zehn Jahren nie zu erreichen. Dass es in den nächsten zwei Jahren gelingt - wer wollte daran nicht zweifeln?
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