Westfalenpost: Kommentar zu Soziales
Kinder/ Herdprämie/ Betreuungsgeld /Der Streit ums Geld: pure Ideologie/Gute Mütter, schlechte Mütter?/Von Harald Ries
Hagen (ots)
Über Jahrzehnte galten in West-Deutschland Mütter, die ihr Kind in die Krippe oder zur Oma brachten und arbeiten gingen, als herzlose Rabenmütter. Das war unfair, diskriminierend und dumm. Inzwischen gelten Frauen, die sich freiwillig dafür entscheiden, bei den Kindern zu Hause zu bleiben, bei großen Teilen der öffentlichen Meinung als geistig minderbemittelt oder gesellschaftlich rückständig. Das ist natürlich ebenso unfair, diskriminierend und dumm. Es gibt keine richtigen oder falschen Lebens- und Familienmodelle, sondern nur individuelle, die jeweils ihre Berechtigung haben, die sich auch ändern können und die nicht ideologisch gegeneinander ausgespielt werden sollten. Daraus folgt allerdings keinesfalls, dass der Staat das Zuhause-Modell speziell fördern sollte. Das wäre weniger wegen der zwei Milliarden Euro jährlich bedenklich, die das nach neuesten Berechnungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung kosten würde, sondern wegen der negativen Folgen für Staat und Gesellschaft. Das betrifft einerseits die Kinder: Es gibt viele Studien, die belegen, dass vor allem der Nachwuchs aus bildungsfernen Schichten von einer Vorschul-Erziehung sehr stark profitiert. Für genau diese Familien wäre das Betreuungsgeld ein großer Anreiz, die Kinder nicht in die Kita zu schicken. Das betrifft aber auch die Mütter: Wer sie darin bestärkt, nicht zu arbeiten, keine Karriere zu machen, gefährdet ihre Zukunft. Wenn jede dritte Ehe scheitert und das geänderte Unterhaltsrecht einer neuen Familie mehr Ansprüche zubilligt als früher, wird die Spekulation auf die lebenslange Versorgung durch den allein arbeitenden Ehemann zum Spiel mit hohem Risiko. Am Ende stehen allzu oft Hartz IV und Altersarmut. Dafür muss der Staat dann noch einmal aufkommen. Und die Wirtschaft ist eines wichtigen Arbeitskräftepotenzials beraubt worden. Wenn es um den gesellschaftlichen Nutzen geht und nicht um Ideologie, sollte das Betreuungsgeld für den dringend notwendigen Ausbau öffentlicher Betreuungsangebote verwandt werden. Aber in komplizierten koalitionären Machtverhältnissen ist die Vernunft immer nur einer von mehreren Gesichtspunkten.
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