Westfalenpost: Kommentar zu Regierungspläne zur Demografie
Ein Strategiepapier ohne großes Konzept
Von Harald Ries
Hagen (ots)
Ein Strategiepapier ohne großes Konzept
Der demografische Wandel wird in der Öffentlichkeit seit vielen Jahren diskutiert, in der Wissenschaft seit mehreren Jahrzehnten. Denn an der Entwicklung ist eines uneingeschränkt positiv: Sie kommt nicht überraschend. Insofern ist es doch überraschend, dass die Bundesregierung erst jetzt eine Strategie beschließt. Und Kritikern, die bemängeln, dass sich darin nur eine kleinteilige Bestandsaufnahme von ohnehin laufenden Vorhaben finde, auch noch entgegnet, das 74-seitige Papier solle nur eine Diskussion in Gang setzen. Und jetzt würden erstmal Arbeitsgruppen eingesetzt. Das ist ebenso mager wie die Idee des Innenministers zur Zukunft des ländlichen Raums: Breitbandkabel müssten her. Da hat er völlig recht. Die müssen schon lange her. Können aber kein Ersatz sein, wenn Supermarkt, Bank und Hausarztpraxis schließen und die Immobilienpreise verfallen. Glücklicherweise ist man da in den Gemeinden schon weiter, denkt über Möglichkeiten des Nahverkehrs und ehrenamtlicher Aktivitäten nach. Ganz konkret. Im Alltag. So wie verantwortungsvolle Unternehmen sich schon lange Gedanken machen über ihre Attraktivität für Fachkräfte, über Familienfreundlichkeit und altersgerechte Arbeitsplätze. Wir sollten uns ohnehin nicht von Katastrophenszenarien verrückt machen lassen. Dass Menschen länger leben, ist doch prima. Nicht überall ist weniger Gedränge von Nachteil. Altengerechte Städte können für alle Bewohner lebenswerter werden. Mehr Flexibilität bei der Lebensarbeitszeit wäre eine generationsübergreifende Errungenschaft. Vielleicht brauchen wir den großen Plan gar nicht. Die Rezepte sind im Prinzip bekannt. Beispielsweise müssen die Kapazitäten von Frauen besser genutzt werden. Was man von der Bundesregierung gerne wüsste, wäre, was sie angesichts des sinkenden Rentenniveaus und von Mini-Job-Erwerbsbiografien gegen die Altersarmut unternehmen will, wann sie gedenkt, Demenzkranken und ihren Angehörigen aus entwürdigenden Notlagen zu helfen und warum keine vernünftige Regelung für qualifizierte Zuwanderung existiert. Obwohl: Wenn der CSU-Politiker Friedrich hier vor dem "Öffnen von Schleusen" warnt, bekommt man einen Verdacht.
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