Westfalenpost: Antreten bei Mutti Von Stefan Hans Kläsener
Hagen (ots)
Es ist viel Despektierliches geschrieben worden über die deutsche Bundeskanzlerin in Zeiten der Eurokrise. In Frankreich fanden unverhohlen beleidigende Sätze sogar Platz im Parteiprogramm der Sozialisten. Die schlimmsten Passagen wurden nach zähem Ringen unter Protest wieder getilgt.
Nun führt den italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta, wenige Stunden im Amt, die erste Reise nach Berlin. Es fällt schwer, nach Lage der Dinge eine andere Überschrift für diesen Besuch zu finden als: Meldung zum Rapport, Antreten bei Mutti.
Erinnern wir uns, dass noch vor wenigen Monaten die deutsche Kanzlerin dafür getadelt wurde, dass sie ihre europäische Rolle zu zaghaft ausfülle? Dass sie sich stärker durchsetzen müsse gegenüber dem frechen Rollgriff der Südländer auf deutsches Geld? Dieselben Stimmen tadeln nun Angela Merkel, dass sie Europa gefährde, indem die Deutschen hemmungslos durchregieren und alles ihrem ökonomischen Panzerdiktat unterwerfen.
Die Wahrheit lautet eher anders: Diejenigen Länder im Baltikum und im Nordwesten, die ihre schmerzhaften Hausaufgaben gemacht haben, erwarten von den Krisenländern im Süden Gleiches. Dass angesichts von Arbeitslosenzahlen jenseits der 25 Prozent die EU aber auch soziale Erste Hilfe leisten und Wachstumsimpulse senden muss, steht ebenfalls außer Frage.
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