Westfalenpost: Gratwanderung Von Wilfried Goebels
Hagen (ots)
Die Inobhutnahme eines Kindes greift massiv in das Sorgerecht der Eltern ein. Deshalb bleibt die vorübergehende Herausnahme eines Kindes aus der Familie für das Jugendamt eine Gratwanderung und kann immer nur der letzte Schritt in akuter Not sein.
Arbeitslosigkeit, Alkohol und Frustration sind oft Auslöser von Gewalt und Misshandlungen. Erfreulich, dass Nachbarn, Lehrer und Verwandte nicht mehr wegsehen, wenn sie Zeichen für körperliche Übergriffe erkennen. Dass allerdings jede fünfte Inobhutnahme auf Hinweise der betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst zurückgeht, lässt auf eine hohe Dunkelziffer schließen.
Die Inobhutnahme ist eine Schutzmaßnahme für Kinder. Besser als die späte "Reparatur" aber ist eine frühe Begleitung der Krisenfamilien. Gerade in Problemvierteln sind niedrigschwellige Angebote wie Familienzentren, Familienpaten und ausreichende Krippenplätze für Unter-Dreijährige ein Weg, das Risiko der Überforderung in Familien zu mindern.
Kommunen, die auf eine aufsuchende Sozialarbeit setzen, senken häufig die Zahl der Inobhutnahmen. "Schwierige" Familien, in denen die Eltern über lange Jahre nicht berufstätig waren, erhalten oft keinen der knappen Krippenplätze. Dabei wäre die frühkindliche Förderung gerade für diese Kinder besonders wichtig. Hier hätte die Politik einen Hebel.
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