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Westfalenpost: Sportmediziner zweifeln Doping-Studie an

Hagen (ots)

Hagen/Hamburg. Während unter dem Druck der Öffentlichkeit gestern die Entscheidung fiel, die Doping-Studie der Humboldt-Universität schleunigst zu veröffentlichen, gehen die deutschen Sportärzte in die Offensive. Ihr Verbandspräsident bezweifelt in einem Gespräch mit der in Hagen erscheinenden WESTFALENPOST, dass die Studie wissenschaftlichen Ansprüchen genügen würde.

Und so kommt Professor Dr. med. Klaus-Michael Braumann als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) ordentlich in Fahrt, wenn er auf die jüngsten Veröffentlichungen der Berliner Wissenschaftler angesprochen wird. "Was dort vorgelegt wurde, ist möglicherweise journalistisch eine spannende Geschichte, genügt aber nur bedingt den Kriterien guter wissenschaftlicher Praxis. Das wurde vom Projektbeirat mehrfach angemahnt. Hier den Anspruch einer "wissenschaftlichen Studie" zu formulieren, hat schon eine gewisse Chuzpe", sagt Braumann. Und er muss es wissen. Schließlich hat der Sportmediziner als Projektbeirat der Humboldt-Universität intime Kenntnisse der 800 Seiten, die angeblich den Schluss zulassen, westdeutsche Politiker und Ärzte hätten in den 70er Jahren systemisches Doping befördert.

Diesen Schluss will Prof. Braumann nicht ziehen: "Mich stört, dass die Autoren die moralische Keule auspacken und mit den Erkenntnissen von 2013 den Stab brechen über die Wissenschaft der 70er und frühen 80er Jahre." Natürlich habe es damals schwarze Schafe gegeben, daraus aber die These eines systemischen - also eines groß angelegten und gewollten nationalen Dopings abzuleiten, findet der Sportmediziner unzulässig. Denn diese These fuße auf, so Braumann, falschen Grundlagen. Er nennt drei Beispiele:

1. In der Öffentlichkeit gehe es immer wieder um die sogenannte Kolbe-Spritze. Diese sei, anders als in der Studie angenommen, allerdings keine Doping-Spritze gewesen. Vielmehr habe es sich bei dem verabreichten Präparat um einen simplen Vitamin-B-Komplex gehandelt, den damals Tausende Ärzte auch Tausenden Patienten verabreicht hätten. "Ob diese Präparate über einen psychologischen Effekt hinaus überhaupt wirksam sind oder waren wird bis heute bezweifelt."

2. Der in der Studie zitierte "Vater des Sportherzens" Professor Herbert Reindell habe bei seinen schwer herzkranken Patienten zwar durch bestimmte Medikamente eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit erreicht - mit Doping aber habe das rein gar nichts zu tun. Braumann: "Leider waren die Autoren der Studie nicht davon zu überzeugen, dass leistungsverbessernd nicht immer gleich leistungssteigernd im Doping-sinne bedeutet."

3. Die sogenannten "Luftduschen", die bei Schwimmsportlern durch in den Darmtrakt zugeführte Luft für Auftrieb sorgen sollen, sind zwar unappetitlich, das mit Doping in Verbindung zu bringen aber sei "lächerlich". Wie auch die Anwendung der bereits damals belächelten "Kolbe" Spritze kann man die Anwendung dieser Methodik allenfalls als Ausdruck des verzweifelten Bemühens der deutschen Sportfunktionäre betrachten, Erfolg um jeden Preis zu erringen.

Insgesamt ist für den DGSP-Präsidenten die aktuelle Aufregung um das Thema nicht nachvollziehbar. Die Studie sei "bekannt, an einigen Stellen banal und habe mit Doping teilweise nichts zu tun". Braumann streitet natürlich nicht ab, dass auch in der Bundesrepublik in den 70er und 80er Jahren gedopt wurde. "Allerdings war das regional unterschiedlich ausgeprägt. Und einige Sportärzte haben auch die eigene Bedeutung in der Szene mit zweifelhaften Methoden damals steigern wollen."

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch der ehemalige Präsident des Sportärztebundes NRW, Prof. Dr. Herbert Löllgen. Er zweifelt vor allem den Teil der Doping-Studie an, der von der Uni Münster kommt. Zwei Jahre war dort das Thema "Doping in den Medien" untersucht worden. Allerdings nur anhand von zwei Wochen- und zwei Tageszeitungen", kritisiert Prof. Löllgen. Und weiter: "Dort wurde nicht einmal unterschieden zwischen den Textformen Kommentar und Bericht. Der wissenschaftliche Wert ist daher zweifelhaft." Herbert Löllgen empfindet die aktuelle Debatte als "zu hoch gehängt". Auch damals habe es Sportler gegeben, die aus eigenem Ehrgeiz und aus finanzieller Motivation heraus zu Mitteln gegriffen hätten, die auf der Dopingliste standen. Löllgen: "Allerdings war diese Liste lange Jahre nicht vor allen Sportverbänden anerkannt. Juristisch bedeutete die Einnahme damals möglicherweise Medikamenten-Missbrauch, nicht aber Doping." Ob ein Gutachten des Deutschen Fußballbundes (DFB) in eine ähnliche Richtung geht, lässt sich allenverfalls vermuten. Auf jeden Fall tritt der DFB Behauptungen entgegen, einige Mitglieder der Nationalmannschaft von 1966 hätten einen anregenden Cocktail aus Amphetaminen erhalten. Dazu DFB-Mediendirektor Ralf Köttker: "Der renommierte Jura-Professor Martin Nolte von der Sporthochschule Köln hat sich in einer wissenschaftlichen Studie intensiv mit der WM 1966 befasst und kommt zu dem klaren Ergebnis, dass bei der deutschen Mannschaft kein Dopingvergehen vorlag."

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