Westfalenpost: Massage fürs Hirn oder Scheitern als Teil des Lebens
Kommentar von Torsten Berninghaus zur Abschaffung des Sitzenbleibens
Hagen (ots)
Mehr und bessere Förderung statt schlechter Noten und Sitzenbleiben. Gerade vor den Sommerferien, in denen sich mancher Schüler mit Mathe oder Englisch plagen muss, um die Nachprüfung in sechs Wochen zu bestehen, ist das ein schöner Gedanke. Man müsste die Lehrer kurzerhand so qualifizieren und motivieren, dass Wissensvermittlung in der Schule zu einer Art Wellness-Veranstaltung wird. Das hört sich gut an. Massage fürs Gehirn, dann fliegt den Schülern der Stoff nur so zu. Eine wunderbare Idee, oder? Bei aller Euphorie sind Zweifel erlaubt. Ist es tatsächlich die vornehmste Aufgabe von Schule, für gute Noten zu sorgen? Ist die gute Zensur tatsächlich entscheidender als die Qualität der Ausbildung? Und sollen wir das Sitzenbleiben abschaffen, weil Bildungsexperten den pädagogischen Sinn dieser Maßnahme schon lange infrage stellen? Ich finde nein. Schule und insbesondere Gymnasien sollten nicht einem Nützlichkeitsprinzip unterworfen werden, dessen einziges Ziel es ist, numerus-clausus-gerechte Absolventen und damit eine Schwemme von Traum-Noten zu produzieren. Vielmehr sollte es Aufgabe des Schulsystems sein, die Eleven bestmöglich auf das Leben vorzubereiten. Mit den Hürden und Härten, die dieses Leben bereit hält. Und vor allem mit der Möglichkeit zu scheitern. Nun muss man die Ehrenrunde in der achten Klasse nicht gleich als Geschenk (unser Sohn war noch nicht reif genug) verstehen. Eine Kata-strophe aber ist das auch nicht. Die Wege zu einer guten Bildung und Ausbildung sind am Ende entscheidend. Sie müssen vielfältig, durchlässig und damit individuell sein. Genauso individuell wie die Schüler, von denen manche langsamer lernen und andere schneller.
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