Westfalenpost: Sprung ins kalte Wasser Von Harald Ries
Hagen (ots)
Es war klar, dass es so kommt: Lehrer überfordert, Eltern genervt, und ob es Behinderten an Regelschulen besser geht als in Förderschulen, darf man in vielen Fällen bezweifeln. War der Rechtsanspruch auf Inklusion also verfrüht? Hätte die Landesregierung nicht warten sollen, bis die Voraussetzungen geschaffen, bis genügend Sonderpädagogen ausgebildet, Regelschullehrer weitergebildet und Schulen vorbereitet sind? In einer idealen Welt hätte sie früher begonnen, die Bedingungen zu schaffen. Aber dass NRW den Vorreiter gespielt hätte bei der Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in die Alltagswelt, lässt sich nicht gerade sagen. Darum geht es: um den Abbau von Barrieren, um Teilhabe, Menschenrechte und Demokratie.
Das betrifft keineswegs nur die Schule. Dort wird jetzt nur besonders sichtbar, was noch zu leisten ist und was nicht funktioniert. Dadurch besteht die Gefahr, dass die gute Idee der Inklusion, die Wertschätzung für alle Menschen beinhaltet, beschädigt wird. Andererseits ist ein Kulturwandel nur in der Praxis zu schaffen. Und ohne Druck - wie beim Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Ein- und Zweijährige - geschieht wenig. Der Sprung ins kalte Wasser war so trotz aller Probleme dem Zögern am Beckenrand vorzuziehen. Doch jetzt muss nachgelegt werden. Auch die geplanten neuen Stellen sind unzureichend. Individuelle Förderung aller Kinder wird teuer. Wenn man sie ernst nimmt und richtig versteht, kommt sie aber längst nicht nur den Behinderten zugute.
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