Westfalenpost: Schwindende Kräfte
Kommentar von Andreas Thiemann zum Ergebnis des neuen Pflegereports
Hagen (ots)
Die Fakten des neuen Pflegereports können nicht wirklich überraschen. Gleichwohl sind sie doch von erheblicher Bedeutung für unser Zusammenleben. Wer immer darum bemüht ist, ausgeprägte Rollenmuster im Vergleich von Mann und Frau abzubauen oder zumindest klein zu reden, wird in Sachen Pflege auf einen sehr harten Boden der Tatsachen zurückgeworfen.
Pflege ist Frauensache. Diese Aussage ist eine Situationsbestimmung, kein gottgegebener Naturzustand. Es hat Jahre gedauert, ehe sich die Elternauszeit für Väter als gesellschaftlich akzeptabel erwiesen hat. Bei der Pflege von alten und/oder kranken Angehörigen hat ein Umdenken offenbar nicht einmal ansatzweise begonnen. Schlimmer noch: Pflege ist ganz offenbar nicht nur Frauensache, sondern auch Frauenschicksal. Soll heißen, die Pflege innerhalb der Familie macht selbst krank. Die emotionale Belastung wird zum Auslöser für diverse psychische Leiden.
Der Ruf nach einer Legalisierung assistierter Selbsttötung findet gerade auch vor dem Hintergrund einer dramatisch überforderten Pflegesituation einen gefährlichen Nährboden. Es gilt, die individuelle Belastung der Pflege aus der abgeschobenen Anonymität der Privatsphäre in den öffentlichen Mittelpunkt gesellschaftlicher Verantwortung zu stellen.
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